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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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(selbst Rotspon-Bettschwere verflüchtigt sich zuweilen), blättre ich im Bändchen, folge meinen Bleistiftmarkierungen, und es drängt sich eine andere Lesart auf mit Äußerungen von Figuren, denen die Entwicklung im Stück nicht recht geben darf, es läuft ja alles auf den Scheinsieg hinaus, aber gesagt bleibt gesagt.
    Vor allem Heinrich, Jungfer Roses jüngerer Bruder, stellt sich der Frage, ob in der aussichtslosen Gesamtlage »Widerstand nicht Wahnsinn« sei: Der »Wahnsinn, Kolberg zu halten / Auch gegen jegliche Vernunft«. Und noch einmal: »Ein Tollwahn ist’s / Die Stadt zu halten«. Von einer Übermacht belagert, von der Versorgung abgeschnitten, »kann nur der Wahnsinn auf Rettung hoffen«. Man sieht schon kommen: »Die Stadt ist bankerott auf hundert Jahre«, falls »dies winzige Häuflein Narren« sich weiterhin durchsetzt.
    Zweifel werden mehrstimmig: »Was ist noch viel zu sagen? Wir sind kaputt.« Es sei denn, man ist »Manns genug, dem Tollen«, der alle »zum Abgrund schleift, ein ›Halt!‹ zuzurufen, ›Bis hierher und nicht weiter!‹« Der »bare Selbstmord wärs, noch fortzukämpfen.«
    Immer stärker bei der Nachlese das Gefühl, alles Nötige sei längst gesagt, und dies seit achtzig Jahren. Damals schon war die Forderung ausgesprochen, rechtzeitig Frieden zu schließen »mit einem zehnfach übermächtgen Feind /Dem standzuhalten nur der Wahnsinn hofft«.
    Ja, »Wahnsinn« wird zum Leitwort der Bedenkenträger im Stück. »Soll die Vernunft / In Kolberg mundtot sein / indes der Wahnwitz das letzte Wort behält?«
    Auf jedem dieser Sätze steht heutzutage die Todesstrafe, ruckzuck vollstreckt von SS -Kommandos auf fast völlig freier Wildbahn. So schließe ich diese Notizen gewissenhaft ein im Safe, den die Geheimnummer öffnen wird, sobald Frank mit dem Krad vorgefahren ist und seinen Auftritt zelebriert mit der Kuriermappe, die er stöhnend aus dem Tornister zieht, von dem er Staub, Staub, Staub abklopfen muss aus der fast zu Steinmehl pulverisierten Reichshauptstadt des vormals Großdeutschen Reiches.
    Heil Hitler und »ein guts Nächtle«! Uwe.

    Mein Reichsführer, lieber Heini Himmler! In Anbetracht der turbulenten Zeitläufte will ich mich in diesem Schreiben kurzfassen. Um Sie möglichst wenig zu belasten, wähle ich den Weg über Frau Marga, weil die Gute am besten weiß, wann ihr Gatte etwas Zeit hat.
    Vorab, für die Nachfrage dankend, ein kurzer Lagebericht zur Heimatfront am Starnberger See. Ich halte die Stellung im Grabenkampf mit dem Nachbarn, der sich in puncto Wiesenverkauf weiterhin als bockig erweist. Sollte der Schweinehund obendrein noch frech werden, bringe ich es fertig und bitte den SD zu veranlassen, dass der Mensch für ein paar Wochen das KZ -Leben genießt. Ich kann nur immer wieder sagen: Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang …
    Raschen Erfolg hingegen kann ich vermelden in der Frage der Entschädigung: Für meine Buchausgaben, die beim vorletzten Luftangriff auf München in der Verlagslagerhalle vernichtet wurden, ist die Honorarentschädigung in der von mir geforderten Höhe prompt überwiesen worden. Manchmal wirkt es sich doch hilfreich aus, wenn man in Ihnen einen großen Bruder hat.
    Und damit zum eigentlichen Anlass und Anliegen meines Schreibens: Mir scheint, wir von der SS müssten beim Harlan-Goebbels-Projekt so langsam mal querschießen.
    Nach der vorigen Akademiesitzung trafen wir Autoren uns mit Künstlern anderer Sparten im KddK, und da kam in cognacbeschwingten Gesprächen etliches zur Sprache.
    Mein Gesprächspartner aus der Filmbranche, Assistent von Liebeneiner, behauptete steif und fest, Harlan hätte mittlerweile mehr als 100000 Frontsoldaten als Komparsen zum Einsatz gebracht; die Rede war sogar von mehr als 150 , ja von 180000 .
    Ich versuche, mir das vor Augen zu führen: Es waren etwa 100000 Uniformierte, die in strengster militärischer Ordnung auf dem Zeppelinfeld Aufstellung fanden bei Reichsparteitagen. Wie Leni Riefenstahls Meisterwerk zeigte, eine unvergleichliche Ausbreitung. Und eine derartige Masse will Harlan dirigiert haben? Soviel Aktionsfläche könnte er nicht einmal mit acht Kameras erfassen! Beim sechsstelligen Komparsen-Aufgebot kann also wohl nur addiert worden sein, was etappenweise zum Einsatz gelangte. Das allerdings dürfte hoch genug, ja allzu hoch gewesen sein. Goebbels, als Schirmherr des Unternehmens, gedenkt offenbar aufwendigste amerikanische Filmproduktionen zu übertrumpfen. Das zu

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