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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Tscherkessen und Araber. Hier jedoch: ein Türke mit armenischer Verwandtschaft – was in seinen Papieren wohl nicht weiter vermerkt ist, sich in seiner Haltung jedoch dokumentieren wird, denn: Umur hat noch nicht vergessen, dass auch Mitglieder seiner Familie zwölf Jahre zuvor von Türken in die Syrische Wüste hinausgetrieben wurden, was einem Massenmord gleichkam. Umur wird die ihm zugespielte Möglichkeit nutzen, Rache zu üben – dem Namen nach Türke, im Herzen Armenier. Musil, so wird sich zeigen, registriert berechnend, dass sich hier eine Leckstelle anbietet – ein Hinweis von arabischer Seite könnte ihn hellhörig gemacht haben.
    Nach einem formellen Appell an die Waffenbrüderschaft zwischen Österreich-Ungarn und Osmanenreich beginnt Musil in fliegendurchsummter Barackenbude silbengenau das Telegramm zu diktieren, das in einen Papierstreifen gestanzt wird. Verschlüsselung ist nicht nötig, betont er, Chiffrieren kostet Zeit, auch weiß man nie, ob die Herren in Damaskus dann auch in der Lage sind – und er bricht vielsagend ab.
    Das (erste) Telegramm meldet zwar keinen triumphalen Erfolg der diplomatischen Mission, aber doch eine deutliche Verbesserung der Ausgangslage im Kampf gegen England und seine gekauften Beduinenstämme, als deren Anführer sich Oberst Lawrence darzustellen beliebt – ob mit Berechtigung oder nicht, das wird sich zeigen.
    Nach kurzem Zögern diktiert Musil einen Zusatz: Zur direkten Berichterstattung werde er freilich erst mit einigen Tagen Verzögerung in Damaskus eintreffen, er werde in Meda’in Saleh einen Zwischenaufenthalt einlegen, um sich nach den strapaziösen Verhandlungen und nach etwa tausend Kilometern Wüstenritt ein wenig zu erholen. Dabei werde er die in Monolithe und Felswände gehauenen Gräber untersuchen, vermessen, zeichnen.
    Ich gehe im Entwurf davon aus, dass besagter Telegraphist armenischer Herkunft den Inhalt des ersten wie des folgenden Telegramms in wortgetreuer Niederschrift weitergeben wird an einen Araber, der mit dem Kamelreiterkorps des Oberst Lawrence in Verbindung steht.
    Selbstverständlich wird auch dies in eine – freilich nur knappe – Szene umgesetzt, hier mögen Andeutungen genügen.
    Musil wartet ab, bis das Telegramm gemorst ist; während der perforierte Papierstreifen durch das Gerät läuft, registriert Musil, wie sich die Lippen des Telegraphisten bewegen, als repetiere er lautlos den Text.
    Und Musil macht sich Notizen zum zweiten Telegramm, gerichtet an die Garnison in Medina.
    Anmerkung: Von Medina aus wurden damals im Streckenabschnitt bis Dar al Hamra nach Sprengungen die Reparaturarbeiten durchgeführt, auch der Bau von Notbrücken. Erwähnt werden sollte auch, dass die türkischen Ingenieure und ihre Helfer oft erstaunlich rasch arbeiteten, zuweilen mit waghalsigen Improvisationen: Als Kurvenschienen nicht mehr auf Lager waren, wurden Kurven, zumindest mit weitem Radius, aus geraden Schienen zusammengestückt. Das wird im Film nicht vorgeführt, ich erwähne es nur, um zu zeigen, dass der Schmalspurgleiskörper die Züge zwang, meist nur langsam zu fahren. Was beiderseits Aktionen erleichterte …
    Auch hier: Angestrebt werden sollte mit dem Film größtmögliche Annäherung an damalige Realität. Ohne vorzugreifen, darf ich zum Stichwort Medina-Garnison noch erwähnen: Die dort stationierte türkische Truppe litt unter Hitze und Langeweile, so war Abwechslung erwünscht – nichts wie weg von hier, endlich was unternehmen! In diesem Sinne wird sich der türkische Offizier äußern, Hamid Fakhri Bey, Kommandeur des Trupps, zusammengestellt aus gleichsam handverlesenen Soldaten des 3 . Bataillons des 151 . Regiments und dem 1 . Bataillon des 152 . Regiments der 48 . Division.
    Und Musil diktiert anhand seiner Notizen das zweite Telegramm, gerichtet an den Befehlshaber der Garnison in Medina. Der Inhalt, hier auf möglichen Widerruf formuliert: Schickt am kommenden (folgt das Datum) eine Kompanie (verschlüsselte Bezeichnung) nach Meda’in Saleh; ich werde eine Station vorher zusteigen. Folgt ein Scheingrund für die Verlegung der feldmarschmäßig ausgerüsteten Truppe: Schutz neu eingerichteter Lagerbauten zur Sicherung des Nachschubs.

    Die Realisierung dieses Films, dessen bin ich mir voll bewusst, ist an mehrere Voraussetzungen gebunden.
    Die erste, geistig entscheidende: Dass nicht nur Sie, lieber Fritz Hippler, sondern auch der Herr Reichsminister von dem Thema in dieser Gestalt und zu diesem Zeitpunkt zu

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