Das Gesetz des Irrsinns
sicherlich auch, oral verabreicht, mit drei bis vier Esslöffeln aus. Es erübrigt sich, zu erwähnen, dass bei der besonders sorgfältigen Arbeit des (zweiten) Leibzahnarztes eine Nachblutung größeren Ausmaßes nicht erfolgte.
Was wiederum das Vertrauen des Führers in Arthur Hanrath bestärkte; Hitler bezeichnete es als ›felsenfest‹. Und als ›bombenfest‹ galten die Werkstücke aus dem Zahntechnischen Labor Hanrath. Hier waren bis 1940 lediglich zwei Mitarbeiter beschäftigt, die aber galten als Zahntechniker von höchstem Können, als wahre Meister der Kunst am Zahn.
[Anmerkung des Herausgebers. Bis zu diesem Punkt ist das Typoskript wortgetreu wiedergegeben. Überleitend zu einer zweiten (ebenfalls vollständig ausgeführten) Sequenz blieben allerdings nur Notizen und Stichworte erhalten. Hier lässt sich zwar nicht ablesen, aber mit einiger Zuverlässigkeit erschließen, dass Hans-Georg Hanrath vor erheblichen Motivationsproblemen stand. Denn es stellt sich die Frage: Was könnte ihn dazu bewogen haben, den Großvater so positiv darzustellen? Wollte sich der Enkel indirekt rechtfertigen für einen geschäftlichen Erfolg, den er letztlich der prominenten Position von Sturmbannführer Hanrath zu verdanken hatte?
Aus den vorliegenden Notizen wie aus zusätzlichen Informationen lässt sich unter Vorbehalt der Schluss ziehen: Das ausführliche Schreiben an die Redaktion diente als Forum der Selbstrechtfertigung. Indirekt auslösend: Beim zuständigen Finanzamt war eine anonyme Anzeige gegen Hanrath eingegangen; daraufhin erfolgte eine Hausdurchsuchung seitens der Steuerfahndung. Pünktlich sechs Uhr morgens drangen Beamte, die ovale Messingplakette vorzeigend, auf der Suche nach Unterlagen in die Wohnung des Enkels ein – zeitgleich erfolgte eine Durchsuchung des Dentallabors.
Als Begründung der Durchsuchungsanordnung: Hans-Georg Hanrath, Arbeitgeber von achtzehn Personen, sah sich bei ständig verbesserter Auftragslage gezwungen, das Labor durch einen Anbau zu erweitern. Dabei erfolgten überwiegend Barzahlungen an Bauunternehmer wie an Gerätelieferanten; die hohen Kosten wurden in der Steuererklärung jedoch nicht steuermindernd geltend gemacht. Also Verdacht auf Geldwäsche.
Unterhandlungen mit der leitenden Ermittlungsperson sind generell weder erwünscht noch sinnvoll, meist wird sofort ein Rechtsanwalt hinzugezogen, sofern verfügbar zur meist frühen Morgenstunde. Dennoch kommt es nach einer Phase penibler Durchsuchung des Schreibtischs wie des Kleiderschranks (Zahlungsbelege in Jacken- oder Hosentaschen?) ansatzweise zu einem Gespräch zwischen Hanrath und Ermittler: In der Anzeige (höchstwahrscheinlich eines Kollegen/Konkurrenten) war hingewiesen worden auf den »Nibelungenhort« der Familie. Dies unter Hinweis auf ein Dokument im Archiv der Landeszahnärztekammer.
Laut internem Schreiben des SS -Wirtschafts-Verwaltungshauptamts in Berlin-Lichterfelde-West verfügte SS -Sturmbannführer Dr. med. Arthur Hanrath im ersten Quartal 1945 über zweiundvierzig Kilo Feingold, ausgewiesen als voraussichtlichen Edelmetallbedarf für die zahnärztliche Versorgung höherer Ränge der Waffen- SS bis zum Zeitraum von 1949 / 50 . Wobei absolute Priorität festgeschrieben wurde für zahntechnische Arbeiten bei Führer und Reichsmarschall, bei Reichsorganisationsleiter und Reichssportführer sowie bei Reichsministern und Mitgliedern des diplomatischen Korps.
Als Begründung jener Regelung: Indem er prophylaktisch wie prothetisch die Kaufähigkeit der Patienten wieder herstelle respektive sichere, wirke Dr. med. Hanrath richtungweisend für die Gesundheit aller Parteigenossen, gemäß der Parole: Unser deutsches Volk soll das gesündeste der Welt werden und bleiben.
Dies als Erklärung für die Akkumulierung von vierundachtzig Pfund Feingold. Für die Finanzbehörde stellte sich die Frage: Waren die Barzahlungen für den Anbau des Labors durch diskreten Verkauf von Anteilen (Hundert-Gramm-Kleinbarren) des »Nibelungenhorts« ermöglicht worden?
Hier wiederum schloss sich die Frage an: Wie hatte SS -Sturmbannführer Hanrath das Verfügungsrecht über das Gold erlangt? Durch die Reichsbank? Durch eine Goldscheideanstalt? Durch ein Dentaldepot? Durch das Sanitätsamt des SS -Hauptamtes? Hatten (der Sohn) Raimund und (der Enkel) Hans-Georg Hanrath das Gold übernommen mit der Intention, frei darüber disponieren zu können? Fragen, die in Verfolg der Steuerfahndung erneut relevant wurden.
Hans-Georg
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