Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
All kamen in guter Mission, und ob der Rat nun Veränderungen gegenüber abgeneigt war oder nicht, spielte keine Rolle mehr. Diese Epoche war vorbei.
10
Außenwelt – Ta-Shima
Kapitän Aber hatte
beim Militär Karriere gemacht. Für jemanden, der von Neudachren kam, war er nicht besonders groß, auch wenn er Oda und Suvaïdar um einen halben Kopf überragte und die Männer der Besatzung um gut dreißig Zentimeter. Seine Augen waren von einem hellen Blau, das vor allem die Asix sehr beeindruckte. Das Blau erinnerte sie an die Oddaï, Drachen, große, nachtaktive Fleischfresser, die in den Seen des Dschungels ihr Unwesen trieben. Sie hatten den Beinamen »Weiße Augen«, und man tat gut daran, ihnen aus dem Weg zu gehen.
Kapitän Aber kompensierte seine Durchschnittsstatur dadurch, dass er sehr auf sein Äußeres achtete und sich pflegte. Stets war er korrekt gekleidet; mal trug er die Flottenuniform, mal Zivil oder die neueste Mode der Hauptstadt. Er verachtete jeden, der nicht bei den Streitkräften war, ganz besonders die Bürger von den peripheren Planeten. Viel mehr als alles andere jedoch verabscheute er die Ta-Shimoda, die sich seit Jahrhunderten dem zivilisatorischen Einfluss der zentralen Welten entzogen. Seiner Ansicht nach war es unumgänglich, dass die zentralen Welten endlich ihre Handschrift auf Ta-Shima hinterließen. Das Wenige, was er über ihre Sitten und Gebräuche wusste, hatte ihn in seiner Meinung bestärkt, dass die Bewohner Ta-Shimas auf dem Niveau Primitiver aus der Ära vor der Raumfahrt stehen geblieben waren. Er bezweifelte jedoch, dass diese Menschen noch resozialisierbar seien. Und er war sich ganz sicher, dass es zu nichts führte, wenn man sie in den Schoß der Föderierten Planeten aufnahm. Aber er würde natürlich ohne zu zögern alle Befehle ausführen, die man ihm von ganz oben erteilte.
Kapitän Aber war sehr pflichtgetreu, was seine Arbeit betraf. Genauso pflichtgetreu verhielt er sich, wenn es um religiöse Grundsätze ging – mit einem strengen Glauben und ohne kritischen Geist. In seinen Augen gab es keine harmlosen Pflichtverletzungen, und eine unordentliche Uniform war für ihn ein Affront gegen die Luft- und Raumfahrt, die unverzüglich Sanktionen zur Folge haben müsse. Seine Untergebenen schätzten ihn trotz seiner Strenge. Sie waren sich im Klaren darüber, dass er sie bestrafen konnte, womöglich sogar schwer, aber sie wussten auch, dass es eine interne Angelegenheit der Streitkräfte bliebe.
Als Kapitän Aber an diesem Tag bei Kommandant N’Tari vorstellig wurde, war er noch steifer und militärischer als ohnehin schon.
»Wie Sie wissen«, sagte er, »haben fünf meiner Männer beim Appell gefehlt. Ich beabsichtige, eine gründliche Untersuchung dieser Angelegenheit einzuleiten.«
»Es scheint mir offensichtlich, dass die fünf Männer nicht mehr an Bord sind, sonst hätten wir sie bereits gefunden«, entgegnete N’Tari. »Dass vor ein paar Stunden die Tür einer Schleuse offen vorgefunden wurde, kann kein Zufall sein. Eine Durchsuchung macht keinen großen Sinn, denn was hoffen wir zu finden? Es tut mir wirklich leid um Ihre Männer, aber sie haben die elementarsten Sicherheitsvorschriften verletzt.«
»Ich bin mir darüber im Klaren, dass sie nicht mehr an Bord sind, und ich kann mir auch nicht vorstellen, sie lebend wieder anzutreffen, aber ich hoffe, auf einen Hinweis zu stoßen, was genau geschehen ist. Es gab überhaupt keinen Grund für meine Männer, in diese Schleuse hineinzugehen. Genauso wenig gab es einen Grund dafür, die äußere Falltür zu öffnen. Ich kenne jeden einzelnen meiner Leute, denn ich selbst habe sie ausgewählt. Keiner von ihnen ist seelisch im Ungleichgewicht oder trägt Selbstmordgedanken mit sich herum, sonst wäre der Betreffende von der Musterungskommission nicht angenommen worden. Es muss also irgendetwas Dubioses dahinterstecken.«
Kommandant N’Tari wusste, die Ermittlungen würden in sein Aufgabengebiet fallen, da er für alles verantwortlich war, was sich an Bord des Raumschiffes ereignete. Aber er hatte keineswegs die Absicht, in einen Konflikt mit den Streitkräften zu geraten, und so machte er gute Miene zum bösen Spiel.
Für den Kommandanten war offensichtlich, dass etwas Anormales passiert sein musste, und es lag ebenso auf der Hand, dass Kapitän Aber kaum Chancen hätte, dahinter zu kommen. N’Tari selbst würde es vielleicht gelingen, denn er kannte das Raumschiff so gut wie seine Westentasche; schließlich
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