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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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ihnen zu speisen.«
    »Warum haben sie Papier vergeudet, um eine Einladung zu schreiben, wo wir uns doch auf ein- und demselben Raumschiff befinden? Sie hätten doch nur ein paar Schritte gehen müssen, um uns einzuladen. Ist es nicht eine Beleidigung, uns derart überflüssiges Zeug zu senden? Halten sie uns für jugendliche Asix? Glaubst du, sie wollen uns verunglimpfen, indem sie sich so betont formell und korrekt verhalten?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Ganz im Gegenteil. Das ist bei den Menschen in der Außenwelt eine Form der Höflichkeit – im gewissen Sinne so, als würdest du eine Herausforderung zum Duell annehmen oder jemanden darum bitten, dir die Ehre zu erweisen, sich mit dir in der Akademie zu messen. Um Rasser nicht vor den Kopf zu stoßen – das halte ich im Augenblick nicht für angebracht – glaube ich, dass Oda und ich die Einladung annehmen müssen.«
    Als sie sah, dass Tichaeris die Stirn in Falten zog, fügte Suvaïdar hinzu: »Natürlich kannst du auch mitkommen, wenn du es wünschst. Nichts liegt mir ferner, als dir vorzuschreiben, wie du dich zu verhalten hast. Aber wenn du lieber nicht mitkommst – die schlichte Tatsache, dass du weder die Universalsprache noch Galaktisch verstehst, ist Grund genug, um die Einladung abzusagen. Oda und ich werden versuchen, nett zu sein wie zwei Asix-Bauern, die an den Tisch der Matriarchin gebeten werden. Auf alle Fragen, die sie uns stellen, antworten wir mit vorbildlicher Geduld, nicht wahr, Cohey Adaï?«
    Sie lächelte so umwerfend, dass ihr Bruder nicht imstande war, ihr etwas abzuschlagen. Oda war schlechterdings nur an die ausdruckslose Gesichtsmaske eines Shiro gewöhnt; deshalb konnte er Suvaïdars Lächeln nicht widerstehen.
    Suvaïdar stand auf, vielleicht eine Spur steifer als sonst.
    »Was hast du?«, fragte Oda.
    »Das kommt vom Fechten.«
    »Du warst ohne mich da?«
    »Hätte man mir das vor zwei Wochen gesagt, hätte ich es nicht geglaubt. Auf Ta-Shima habe ich aus Furcht vor Bestrafungen so wenig Zeit wie nur möglich auf das Training verwendet, und jetzt bin ich jeden Tag dabei. Aber besser geworden bin ich immer noch nicht, im Gegenteil. Du hättest sehen müssen, wie mein Partner mich heute zurechtgerückt hat.«
    Sie löste ihren Gürtel und öffnete die Tunika. Von der Brust bis zum Nabel erstreckte sich eine böse rote Strieme.
    »Und das Schlimmste hast du noch gar nicht gesehen«, seufzte sie und zeigte ihm ihren Rücken, auf dem zwei weitere rote Kerben von den Schulterblättern bis zur Taille ein X bildeten. »Das Zeichen der Ehre! Wie ungeschickt ich mich benommen habe, dass es diesem Mann gelungen ist, mich zweimal zu treffen. Als würde man jemanden zur Ader lassen, nicht wahr?«
    »Nein.« Oda legte einen Finger auf die rote, heiße Haut, genau neben die Stelle, die am tiefsten zu sein schien. »Soll ich dir Salbe darauf streichen?«
    Tichaeris schaute Oda verblüfft an.
    »Was geht dir durch den Kopf, Oda?«, fragte Suvaïdar belustigt. »Wenn du so weitermachst, wirst du nicht mehr das perfekte Beispiel eines Shiro-Herren sein. Seit wann lindert man die Schmerzen der Wunden, die man sich beim Fechten zugezogen hat? Und überhaupt, wozu sollten diese Wunden sonst dienen, als uns ständig daran zu erinnern, Fehler begangen zu haben und darüber nachzudenken, wie man sie vermeiden könnte. Zu meiner Zeit zumindest war dies das unumstößliche Credo der Lehrerin.«
    *
    Bei dem Essen, zu dem man sie eingeladen hatte, machte Suvaïdar einen vorteilhaften Eindruck auf den Botschafter: Um ihren noch immer schmerzenden Rücken nicht am Stuhl anlehnen zu müssen, saß sie die ganze Zeit sehr gerade – in nahezu königlicher Haltung, wie ihm schien, obwohl sie und ihr Bruder es ablehnten, mit »Hoheit« oder irgendeinem anderen Titel angesprochen zu werden. Sie erklärten ihm, dass die Funktion, die ihre Mutter innegehabt habe, eine persönliche gewesen sei und die besondere Würde nicht automatisch dem Rest der Familie zugebilligt werde.
    Anfangs verlief das Gespräch etwas schleppend. Die beiden Ta-Shimoda beobachteten die Gäste, sprachen nur wenig und hörten vor allem zu. Sie versuchten zu ergründen, ob hinter der Einladung vielleicht noch eine andere Absicht steckte und ob man sie verdächtigte.
    Oda fürchtete sich, etwas zu sagen, das die anderen beleidigen oder, schlimmer noch, allgemeine Heiterkeit auslösen könnte. Genau das nämlich war ihm schon einige Male passiert, als erKameraden von der Universität besuchen

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