Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
zugeschaut und zugehört.«
Sie flogen los. Am ersten Tag saß der Kommandant die ganze Zeit an ihrer Seite, um sicherzustellen, dass sie sich wirklich auskannte und alles richtig machte. Irgendwann hatte die Tagaki mit ihrer tiefen, gutturalen Stimme geduldig zu ihm gesagt:
»Geh jetzt schlafen, Kommandant. Sonst bist du zu müde, wenn ich dich brauche. Du kannst nicht fünf Wochen wach bleiben, also ruhe dich aus.«
Vorsichtshalber blieb N’Tari nur so lange in seiner Hängematte, wie unbedingt nötig, um nicht vor Müdigkeit umzufallen. Seine gesamte Freizeit verbrachte er mit der jungen Asix, mit der er schließlich Freundschaft schloss. Nach der Ankunft auf dem Zielplaneten stellte er ihr eine Prämie in beträchtlicher Höhe in Aussicht und schlug ihr vor, sie als einfache Raumfahrtbegleiterin anzustellen, wobei sie in Wirklichkeit aber als Co-Pilotin arbeiten würde. Doch Tagaki hatte mit dem Kopf geschüttelt und ihn gefragt: »Könntest du mir nicht ein Kind machen, statt mich mit Geld zu bezahlen?«
Als sie seine Fassungslosigkeit sah, hatte sie versucht, ihm ihr Sozialsystem zu erklären und die Bedeutung des grauen Bandes, das ihr Lebensband säumte – eine auf der Schulterpartie ihrer Jacke aufgenähte Schärpe, die N’Tari für eine Art Ornament gehalten hatte. Tagaki hatte ihm die unterschiedlichen Quadrate gezeigt, von dem jedes für ein Wappen stand. Und sie hatte ihm erklärt, aus welchem Clan ein Shiro kam, wenn es sich rechts befand oder ein Asix, der seinen genetischen Beitrag zur matrilinearen Abstammung des jungen Mädchens geleistet hatte, wenn es sich links befand.
Schließlich hatte N’Tari diesen für ihn fremdartigen Vorschlag akzeptiert. Im Laufe der nächsten Wochen, die er Seite an Seite mit Tagaki in der engen Pilotenkabine verbrachte, hatte er feststellen können, dass sie amüsant und intelligent war. Für ihn war es eine willkommene Abwechslung. Er konnte mit einer Frausprechen wie mit einem Mann, ohne Scherze oder Komplimente machen zu müssen. Und obwohl er sie immer noch hässlich fand, hatte er aus Freundschaft Ja gesagt, weil er zu wissen glaubte, dass eine Absage sie sehr gedemütigt hätte.
Doch in der Hängematte hatte er eine Überraschung erlebt: Sie war sinnlich und hatte keinerlei Komplexe, und sie besaß zärtliche Hände und eine Stimme wie Samt. Nach den käuflichen Abenteuern im Astroport war dies eine wirklich interessante Entdeckung.
Seitdem hatte Nim – und nicht mehr Tagaki – seine Kabine mit ihm geteilt, wenn sie an Bord des Raumschiffes waren, selbst dann noch, als sein Verlangen erloschen war. Und wenn er an Land ging, hatte sie ihn stets in das Haus eingeladen, in dem sie wohnte.
Er holte tief Luft, den Rücken an die Wand gelehnt, die Augen halb geschlossen; dann streckte er scheinbar gleichgültig die Hand aus, um mit dem kleinen Finger flüchtig ihren Oberschenkel zu berühren.
Nim drehte sich lächelnd zu ihm um und schlug ihm vor: »Sollen wir nachsehen, ob die Matte in deinem Zimmer bequem ist?«
13
Suvaïdar schlug die
Augen auf. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder wusste, wo sie sich befand. Dann hörte sie die Geräusche im Hause des Clans, der gerade aus dem Schlaf erwachte und einen neuen Tag begrüßte. Sie streckte sich wohlig aus. Seit Jahren hatte sie nicht mehr so gut geschlafen. Und das trotz der Geschehnisse.
Sie stand auf, um duschen zu gehen, ergriff ein Handtuch und legte ihre Kleidungsstücke über den Arm. Sie hoffte, dass sich noch warmes Wasser im Autoklav befand, sodass sie nicht mit dem eiskalten Wasser duschen musste, das direkt von den Gletschern des Corosaï kam. Leider schien der gesamte Clan auf dieselbe Idee gekommen zu sein. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zähneklappernd schnell mit eiskaltem Wasser zu waschen. Rasch zog sie sich an und gesellte sich zur Gruppe vor dem Aushang, auf dem die täglichen Aufgaben der einzelnen Clanmitglieder verzeichnet waren.
Neben ihrem Namen las sie »Lebenshaus – sieben Tage«. Gut, dann konnte sie wenigstens ihre medizinischen Fähigkeiten nutzbringend einsetzen. Die ehrwürdige Mutter hatte keine Zeit verloren. Suvaïdar fragte sich, was sie im Gegenzug wohl vom Jestak-Clan dafür bekommen hatte. Wahrscheinlich gar nichts. Es war sicher eine Art Bezahlung für geleistete Pflege.
Suvaïdar ertappte sich dabei, wie sie Odas Namen suchte. Sie las, dass er den ganzen Tag als Tellerwäscher eingeteilt war. Suvaïdar hoffte, dass die alte Huang ihn nicht auf
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