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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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werden schon nicht schlimmer sein als die, die ich mir in meiner Assistenzzeit geleistet habe«, beruhigte sie ihn. »Dass ein Mann für solche Arbeit nicht geeignet sei, ist ein Vorurteil. Das hat dich aber nicht davon abgehalten, dich auf Chirurgie zu spezialisieren, nicht wahr?«
    »Um praktizieren zu können, hätte ich mich auf alles Mögliche spezialisiert, selbst auf Tiermedizin, um die Alligatoren zu behandeln. Ja, vielleicht werde ich das machen: Tiermedizin. Die einzigen Patienten, denen ich mich ohne Oberaufsicht widmen kann, sind Tiere. Übrigens, morgen muss ich ins Hospital, um nachzusehen, ob mein Patient nicht schon wieder das organische Pflaster verspeist hat.«
    »Was für ein Patient? Eine Ziege?«
    »Eine Hündin. Sie ist zu nah an eine stachelige, giftige Liane gekommen und ist mit einer Pfote hineingetreten. Als sie versucht hat, sich zu befreien, hat sie alles nur noch schlimmer gemacht. Nun hat sie fast ein Dutzend Wunden.«
    »Darf ich mitkommen?«
    »Du willst zugucken, wie ich arbeite? Bedauerst du schon, mir den Posten des Assistenten angeboten zu haben?«
    »Aber nein, was denkst du. Als ich klein war, war es mein großer Traum, einen Hund zu haben. Deshalb möchte ich mit.«
    »Wozu wäre ein Hund im Haus einer Pflegemutter gut gewesen?«
    »Zu gar nichts. Aber ich liebe sie so sehr! Also, darf ich mit?«
    »Na klar.«
    Sie gingen zusammen zu dem Anbau, der die Tierabteilung des Hospitals beherbergte, ein überdachtes Gehege, das den Tieren Schutz vor Regen bot. In einer Ecke schlief eine Gruppe transgenetischer Schweine – ein endloses Gewirr von Pfoten und Korkenzieher-Schwänzen. Ein Stück weiter hatte sich die Hündin zusammengerollt.
    Saïda rief: »Komm, Tan«, und das Tier erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung, als hätte es vier und nicht drei Pfoten, auf denen es laufen könnte. Die Hündin kam auf die beiden Mediziner zu. Sie war bereits erwachsen; ihr Kopf erreichte die Brusthöhe eines Mannes. Das Tier rieb den Hals an Saïdas Arm und versuchte, ihm das Gesicht zu lecken.
    »Hör auf«, befahl Saïda streng.
    Suvaïdar streckte eine Hand aus, um die Hündin zwischen den Ohren zu kraulen; dann folgte sie Saïda und dem Tier in den Behandlungsraum. Der Untersuchungstisch war eine Konstruktion aus Holz, solide genug, um das Gewicht der Patienten auf vier Pfoten tragen zu können.
    Ohne dass man die Hündin auffordern musste, sprang sie mit ihren rund fünfzig Kilo Köpergewicht leichtfüßig auf den Tisch. Dort legte sie sich hin, streckte ihre Pfote den Medizinern entgegen und zog die scharfen Krallen ein, als Suvaïdar sie berührte.
    »Du bist ein braves Mädchen«, lobte Saïda die Hündin, als sie feststellte, dass der Verband noch in Ordnung war. »Du hast begriffen, dass man sich den Verband nicht wieder abreißt.«
    Saïda rollte rasch die Binde ab und beugte sich leicht nach vorn, um sich die Pfote anzusehen, auf der das helle Fell mit den schwarzen Streifen abrasiert worden war. Die Hündin ließ still alles über sich ergehen, aber die Bewegungen ihres Schwanzes ließen doch eine leichte Unruhe erkennen. Das organische Pflaster wurde resorbiert, so wie es sein sollte, bis auf eine Verletzung an einer heiklen Stelle, dem Fußballen.
    »Ich muss dort zwei Nähte machen, was meinst du? Selbst wenn sie ein intelligentes und gehorsames Tier ist, wird es schwer sein, ihr klarzumachen, dass sie ihre Pfote nicht aufsetzen darf, denn wenn sie das tut, wird die Wunde das Pflaster nicht resorbieren.«
    »Soll ich dir helfen?«
    »Ja, das wäre gut. Könntest du ihren Kopf nach hinten ziehen? Sie ist neugierig und versucht zu sehen, was ich mache, aber dann kann ich nichts mehr sehen.«
    Suvaïdar tat, was Saïdar gesagt hatte; dann meinte sie:
    »Wenn ich sie mir so anschaue, muss ich an einen Asix denken.«
    »Wieso?«, fragte Saïda zerstreut, während er sorgfältig ein lokales Betäubungsmittel auf den verwundeten Ballen auftrug. Sie hatte die Hündin an den Ohren gepackt und zog den Kopf mit aller Kraft nach hinten, allerdings ohne großen Erfolg.
    »Sie ist so kräftig, dass sie mich mit einem Schlag ihrer Pfote zu Boden werfen könnte. Sie müsste nicht einmal ihre Fangzähne benutzen, mit denen sie jeden deiner Knochen durchbeißen könnte. Und trotzdem schnurrt sie friedlich. Das ist genau wie bei einem Asix. Auch der könnte dich ohne Problem in Stücke reißen, wenn er wollte ...«
    Saïda, der bei der Vorstellung, dass ein Asix schnurrte, laut lachen musste,

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