Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
der Meister unzufrieden. »Man schlägt sich nicht, indem man nur Arm und Schulter einsetzt, und noch dazu mit aller Kraft. Nimm eine stabilere Position ein und suche die Erdenergie entlang des Beines und der Hüfte.«
Mit der freien Hand versetzte er ihr einen heftigen Schlag auf die Schulter, die wie immer verkrampft war. Suvaïdar geriet ins Taumeln. Der Asix zog seine Hand sofort zurück und entfernte sich ohne ein weiteres Wort.
Sie glaubte zuerst, er hätte sie nicht wiedererkannt. Doch im Dunkel der mondlosen Nacht kam er ohne Vorankündigung zur Badezeit ins Haus des Clans. Niemand hatte ihn kommen hören. Doch der Schatten verdichtete sich plötzlich am Becken, und dann murmelte er mit seiner rauen Stimme:
»Meine Dame? Erlaubst du, dass ich mich setze?«
»Das ist das Haus deines Clans, Meister. Es ist dein gutes Recht, dich hier zu bewegen, wie du möchtest.«
Sie lud ihn nicht ein, zu ihr ins Becken aus Stein zu steigen. Stattdessen stieg sie heraus, trocknete sich ab, zog sich rasch an und ging wieder zu ihm.
»Ich möchte dir etwas sagen«, eröffnete er ihr. »Aber es ist ein bisschen kompliziert, bitte hab ein wenig Geduld.«
Er wartete einen Augenblick. Als Suvaïdar nicht antwortete, fuhr er fort: »Du bist nicht oft bei den Kampfsportkursen gewesen, und wahrscheinlich ist dir gar nicht klar geworden, wie stark das Band zwischen den Mitgliedern der Akademie ist, egal ob Asix oder Shiro. Selbst wenn sie rivalisierenden Clans angehören, besteht dieses Band. Ich spreche allerdings nur von den jungen Leuten, die der Akademie anvertraut wurden und den Schülern, die ihr ganzes Leben weiter trainieren, sieben-, achtmal in der Dekade, wie ich es getan habe. Ich rede nicht von denen, die nur aus Pflichtgefühl gekommen sind. In meiner Eigenschaft als Meister bin ich das Herz dieses Netzwerks aus Verpflichtungund Loyalität. Ich weiß deshalb mehr als nur das, was in Gaia geschieht. Es kommt vor, dass Schüler von einer Akademie zur anderen wechseln, weil die Lebensumstände sie dazu zwingen, sich in einer anderen Stadt niederzulassen, oder weil sie sich von einem bestimmten Meister unterrichten lassen möchten.
»Wenn der Unterricht zu Ende ist, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück, aber ich lasse die Tür für diejenigen auf, die mich sprechen möchten. Man bittet mich oft um Rat. Als ich jung war, hielten die Leute mich für dumm, weil ich nicht viel geredet habe. Mittlerweile bin ich ein Meister geworden und alle Welt glaubt, dass mein Schweigen Zeichen von Weisheit sei, obwohl ich ein Asix bin, dessen Ordensband mit einem schwarzen Band endet.«
Oda war seiner Schwester gefolgt und kniete sich nun ganz in der Nähe der beiden ins Gras; dann ließ er sich im Schneidersitz nieder.
Obwohl es dunkel war, hatten die Augen des Asix jede dieser Bewegungen verfolgt. »Stört dich mein Stottern, junger Shiro?«, fragte er. »Oder liegt es daran, dass ich dich langweile? Du musst nicht bleiben, um mir zuzuhören. Es war die Dame, die ich um ein Gespräch gebeten hatte.«
Er wandte sich wieder Suvaïdar zu und fuhr fort:
»Entschuldige bitte, dass ich so redselig bin. Ich wollte dir erklären, wie es kommt, dass ich über viele Dinge informiert bin, die den Rat betreffen. Aber ich will zur Sache kommen. Vor ein paar Tagen kam einer meiner jungen Schüler zu mir, um mit mir zu sprechen. Er ist von meiner Rasse; deshalb fiel es ihm leichter, sich mir anzuvertrauen. Die Alte eines Clans hat nicht immer die Zeit dafür und auch nicht die Geduld. Jedenfalls hatte der Junge gehört, dass die Sadaï verboten hat, den Handel mit den Außenweltlern auf neue Produkte auszuweiten, und er wollte von mir wissen, ob das stimmt. Der Junge kannte eine Frau, die zwei Kinder von einem hiesigen Händler hat. Eines Tages kam dieser Händler mit einem Fläschchen nach Hause, das eine parfümierte Flüssigkeit enthielt. Er goss sie auf den Körper eines Mädchens, und ein wunderbarer Duft erfüllte die Luft. Der Duft war so berauschend, dass der Händler sich an diesem Abend mit demMädchen amüsiert hat, als hätte er die Kraft und Ausdauer eines jungen Asix.«
»War es der Saft der Daïbanblume?«
»Das hat das Mädchen gesagt, aber es steht in krassem Widerspruch zu den Weisungen des Rates, oder? Die Daïbanblume wäre auf den anderen Planeten wahrscheinlich sehr teuer.«
»Danke, dass du mich informiert hast. Glaubst du, dein Schüler könnte die Originalflasche finden?«
»Ich wäre nicht gekommen, wüsste ich
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