Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
möchtest doch die Matte mit mir teilen, oder? Warum hast du mich nie gefragt?«
»Dich fragen?« Oda zog gekränkt die Stirn in Falten. »Ich dachte, ich hätte mein Interesse an dir offen gezeigt. Seit unserer Reise auf dem Raumschiff verbringe ich viel Zeit mit dir.«
Suvaïdar musste ihm recht geben. Warum hatte sie nicht daran gedacht, ihn einzuladen?
»Wenn du möchtest, können wir es morgen tun, oder noch besser übermorgen. Einverstanden?«
Sie lächelte ihn strahlend an; dann drehte sie ihm den Rücken zu und näherte sich den drei jungen Asix. Er sah, wie sie anmutig in die Knie ging und die Hand zur nackten Schulter des kräftigsten Asix ausstreckte, der sich ihr zuwandte, einen Ellenbogen auf den Boden gestützt. Oda konnte nicht verstehen, worüber sie sprachen, aber er hörte die raue und gutturale Stimme des jungen Asix, die einen Kontrapunkt zur Stimme seiner Schwester bildete. Oda bezweifelt nicht, dass die beiden die Freiheiten der Nacht der drei Monde auskosten wollten.
Eine Gruppe Jugendlicher beider Rassen, die einen mit langen Haaren bis tief auf dem Rücken, die anderen mit kurzen, zerzausten Locken, versperrten ihm für einen Moment den Blick. Als sieweitergingen, war Suvaïdar mit zweien der Asix verschwunden. Oda war so sehr damit beschäftigt, sie in der Menge zu suchen, dass er nicht bemerkte, wie eine junge Asix sich ihm näherte, sich neben ihn hockte und fragte:
»Hast du schlechte Laune, Herr Shiro? Du hast niemanden, der mit dir das Fest feiert?«
»Du bist ganz schön respektlos!«, sagte er lachend und wollte ihr einen freundschaftlichen Klaps auf die Wange geben. Doch das Mädchen fing seine Hand ab und legte sie auf ihre Brust.
»Komm mit mir. Du siehst nicht so gut wie ich. In der Dunkelheit könntest du mich für eine schöne Shiro-Frau halten.«
Oda sah, dass sie sehr jung war. Es war zweifellos eines ihrer ersten Feste. Er vergegenwärtigte sich die Regeln der Höflichkeit und versuchte zu lächeln, als er ihr antwortete: »Du bist sehr süß. Ich brauche mir keine andere vorzustellen, wenn ich mit dir zusammen bin.«
Suvaïdar war unauffindbar, und alle andere Shiro schienen bereits jemanden gefunden zu haben, mit dem sie das Fest der drei Monde feierten. Es wäre besser, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wollte Oda nicht die Nacht wie ein Schwachsinniger am Nussbaum gelehnt alleine verbringen. Er stand auf und folgte dem Mädchen zu einer kleinen Sandmulde zwischen den Dünen, wo – Überraschung! – zwei weitere, weniger hübsche Asixmädchen warteten. Auch sie wollten so viel wie möglich vom Fest haben. Während Oda mit Hilfe der beiden Mädchen seine Tunika auszog, hörte man von der Nachbardüne den fröhlichen und spöttischen Klang einer Hirtenpfeife.
19
Wie bei jedem
Jahreszeitenwechsel gab es auch am Ende dieses Sommers mehrere Tage lang sintflutartige Regenfälle. Die Erde war zu trocken und zu karg, um eine derartige Menge Wasser aufzunehmen. Die Felder wurden durchzogen von entfesselten Sturzbächen, die auf ihrem Weg eine Decke aus Humus fortrissen, während die wild gewordenen Winde blindwütig hochstämmige Pflanzen zerstörten und sie unter der Erde begruben. Die einheimische Flora konnte besser damit umgehen: Besaßen die Pflanzen einen Stamm, war dieser flexibel und neigte sich unter den Böen, ohne zu zerbrechen.
Doch die importierten Bäume waren wegen ihrer Hybridisierung und der genetischen Eingriffe sehr viel zerbrechlicher. Deshalb befanden die Obstplantagen sich nie auf freiem Gelände, denn die Orkane hätten den Bäumen vom legendären Ursprungsplaneten keine Chance gelassen. Man pflanzte sie stets in die Innenhöfe, und um sie herum standen die Behausungen. Doch selbst dann kam es vor, dass eine Windhose eine ganze Baumgruppe wegfegte.
In diesem Jahr bewegten sich zwei kleine Wirbelstürme von Osten her über Gaia hinweg. Abgesehen von einigen kleineren Schäden war einer von ihnen mit voller Wucht auf das Haus des Jestak-Clans geprallt und hatte einen Obstgarten und einige provisorische Asix-Hütten vollkommen zerstört. Außerdem riss er einen Teil des Daches über dem Schlafflügel mit sich fort und verwandelte die Bäder unter freiem Himmel und die Plantagen in einen traurigen Trümmerhaufen.
Als endlich die guten Zeiten anbrachen – für die Ta-Shimoda gehörten der warme Nieselregen und die dicke Wolkenschicht dazu, hinter der die Sonne verborgen war –, gingen alle eifrig an die Arbeit, um auf der Hochebene die
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