Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
um eheliche Gemeinschaften zu bilden, wenn ich es mangels eines adäquaten Begriffs so nennen darf. Und wenn sie es doch tun, dann erst, wenn sie mindestens ein Kind haben.«
»Das würde ja bedeuten, dass die unehelichen Geburten nicht nur geduldet, sondern sogar erwünscht sind!«, stieß Frau Rasser entsetzt hervor.
»Ich bin nicht sicher, ob es zweckmäßig ist, von ›ehelichen‹ und ›unehelichen‹ Geburten zu sprechen.« Der Kommandant hatte sich am liebsten geohrfeigt, das Thema angeschnitten zu haben. »Kurz gesagt: Einige von ihnen wollen ihr erstes Kind unbedingt von einem Shiro.«
Beinahe hätte er gesagt »von jemandem, der einer anderen Rasse angehört«, aber er konnte sich gerade noch bremsen.
»Welch abstoßende Gewohnheiten!«, rief der Botschafter angeekelt, und seine erste Ehefrau pflichtete ihm energisch bei. »Ich bin sicher, das wird sich rasch ändern, wenn wir diese Kreaturen erst zivilisiert haben.«
Der Kommandant sah das natürlich ganz anders. Er hoffte insgeheim, dass sich nichts daran änderte. Schließlich hatte er bereits einen Sohn von Nim, und seine jetzige Reisebegleiterin, eine Asix, erwartete ebenfalls ein Kind von ihm. Sie hatte ihm auch erzählt, dass sie noch vier Schwestern und eine ihr nicht bekannte Zahl an Cousinen und Tanten habe. Er hatte zuerst nicht recht begriffen, warum sie das erwähnte, bis sie ihm eröffnete, dass sie alle inständig darauf hofften, ein Kind mit einer dunklen Gesichtshaut zu bekommen – ein Schönheitskriterium für die Asix, die eine sehr viel hellere Haut hatten als die Shiro.
»Warum verbringen die Mitglieder der Besatzung eigentlich so viel Zeit mit den Shiro?«, wagte schüchtern die zweite Ehefrau Rassers zu fragen. Ihr Gatte schleuderte ihr ein kurzes »Störe bitte nicht!« entgegen.
Der Kommandant aber lächelte sie freundlich an und antwortete: »Ich weiß es nicht. Aber mir scheint, sie möchten die Shiro um Rat fragen, ihre Probleme mit ihnen besprechen oder ganz einfach nur mit ihnen plaudern. Inzwischen sehen die Männer der Besatzung schon morgens wie aus dem Ei gepellt aus, und wenn sie eine freie Minute haben, gehen sie zu den Shiro-Frauen und fragen sie, ob sie etwas für sie tun können. Zum Leidwesen der Besatzungsmitglieder antworten die Shiro-Frauen meist mit ›Nein, danke‹. Sie lassen sich nicht gern von anderen bedienen.
Was die Mädchen betrifft: Jedes Mal, wenn ihnen dieser junge Mann begegnet, mit dem wir vor ein paar Stunden gesprochen haben, bleiben sie stehen und gaffen ihn aus Augen an, so groß wie Scheunentore. Es wird Ihnen sicher auch aufgefallen sein, dass plötzlich dieser Muskelprotz von Chefmechaniker ins Gespräch platzte, nachdem Seine Exzellenz schroffe Worte an den jungen Shiro gerichtet hatte. Du meine Güte, seine Schulternsind so breit, dass er seitlich durch die Luken gehen muss! Er hat sich an die Seite der Shiro-Dame gesetzt. Hätte jemand auch nur die leiseste Andeutung einer aggressiven Geste ihr gegenüber gemacht, hätte der Betreffende eine schlimme Viertelstunde erlebt, das können Sie mir glauben.
Deshalb muss ich Sie mit aller Deutlichkeit auf etwas hinweisen – als Kommandant dieses Raumschiffes und als Verantwortlicher für seine Ladung: Solange Sie an Bord sind, sollten Sie Reibereien vermeiden. Was Sie tun, wenn Sie erst wieder an Land gegangen sind, geht mich nichts mehr an. Trotzdem rate ich Ihnen, es sich nicht mit den Shiro zu verderben. Ich würde sogar sagen: Je weniger Sie mit ihnen zusammentreffen, umso besser. Die Shiro halten sich strikt an einen Kodex, den sie Sh’ro-enlei nennen. Man könnte es mit ›Ehrenkodex der Shiro‹ übersetzen. Lieber sterben sie, als gegen die Regeln dieses Kodex zu verstoßen. Das ist nicht bloß so dahergesagt – die Shiro meinen es bitterernst. Das Problem dabei ist: Für Fremde ist nicht leicht einzuschätzen, was für die Shiro eine Kränkung oder Beleidigung darstellt. Und ein Shiro, der sich verunglimpft fühlt, fordert seinen Beleidiger zu einem blutigen Duell heraus. Sollten Sie das Duell akzeptieren, wären Sie binnen weniger Sekunden tot. Und wenn Sie sich dem Kampf entziehen, wird man Sie mit Verachtung strafen und für dermaßen unwürdig halten, dass man Ihnen nicht mehr die geringste Beachtung schenkt.
Es gibt noch ein weiteres Risiko, das Sie nicht aus den Augen verlieren sollten. Sie haben danach gefragt, wie das Verhältnis zwischen den beiden ethnischen Gruppen ist. Nun, die Shiro haben es abgelehnt,
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