Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Kabinen in der ersten Klasse zu beziehen. Sie bleiben lieber auf der Brücke C, die für die Besatzung reserviert ist und wo sich die Unterkünfte der wenigen Raumfahrtbegleiter befinden ...«
»Es gibt da etwas, das ich nicht verstehe«, unterbrach Arsel, die Tochter Seiner Exzellenz. »Dieser junge Mann, der sich Papa gegenüber so hochmütig verhalten hat, schien einer Frau zu gehorchen. Wie ist das möglich?«
»Ta-Shima ist eine matriarchalische Gesellschaft«, antworteteder Kommandant. »Sie hatten eine Art Königin, die vor ein paar Wochen gestorben ist. Und in dem Haus, in das man mich eingeladen hat, lebte eine alte Frau, die alle Entscheidungen getroffen hat. Ich bin leider nicht imstande, Ihnen weitere Erklärungen zu geben.«
»Könnten wir denn nicht Ihre Männer dazu befragen?«
»Ich weiß nicht, ob die Männer Sie verstehen würden. Sie sprechen zwar ausreichend Galaktisch, um die nötigen Aufgaben an Bord erledigen zu können, aber ein Gespräch über solche Dinge ... ich fürchte, das ist ein ganz anderes Paar Schuhe. Möglich, dass sie einzelne Worte erfassen, aber ein allgemeiner Diskurs würde nur zu einer Reihe von Missverständnissen führen, da bin ich sicher.«
Die Zuhörer waren ratlos. Li Hao nutzte die Gunst der Stunde und kam wieder auf sein Lieblingsthema zu sprechen:
»Wenn der kulturelle Kontext unterschiedlich ist, könnte dasselbe Wort mit derselben wörtlichen Bedeutung womöglich ganz anders verstanden werden. Nehmen wir das Beispiel, dass es üblich ist, Kinder vor der Ehe zu haben – wir haben gerade erst darüber gesprochen. In der Universalsprache würde man für solche Kinder den Begriff ›Bastard‹ verwenden, ein negativer Begriff, der ›dreckiger Bastard‹ lautet, wird er als Verunglimpfung verwendet. Doch in einer Gesellschaft, die diesem Phänomen gegenüber positiv eingestellt ist, hätte der Begriff eine neutrale Bedeutung, oder er würde wie die Titel ›älterer Sohn‹ oder ›älterer Bruder‹ verwendet. Kurzum: Der negative Begriff könnte möglicherweise einen positiven Wert bekommen und zu einem ›freundlichen‹ Wort werden. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ich verstehe nicht, wie ›Bastard‹ ein freundliches Wort sein könnte«, murrte Aziz Rasser, »aber diese Shiro beschäftigen mich wirklich. Dieser junge Mann ... gut, ich war in dem Moment wütend, aber ich muss gestehen, dass schon Mumm dazugehört, mir auf diese Weise gegenüberzutreten. Schließlich hatte ich eine militärische Eskorte dabei, und er war auf sich allein gestellt.«
Der Kommandant hielt »Er war auf sich allein gestellt« nicht für die richtige Wortwahl. Die Besatzung hätte zweifellos scharenweise eingegriffen, hätte jemand die Hand gegen einen der drei Passagiere erhoben, die, so schien es, von den Asix als etwas Besonderes betrachtet wurden.
»Außerdem ist er schön«, warf Arsel zur Unzeit ein.
Die beiden Ehefrauen Rassers waren sich ausnahmsweise einmal einig, wandten sich der Tochter zu und geißelten sie mit Blicken.
»Schön?«, fragte Kapitän Aber erheitert und mit herablassender Miene. »Aber meine Liebe, in den Elendsvierteln von Neudachren habe ich sehr viel feinere Personen gesehen als diesen provinziellen, selbstgefälligen Menschen. Das andere Individuum scheint eine Frau zu sein. Verglichen mit den Damen«, er neigte höflich den Kopf in ihre Richtung, »könnte dieses Individuum gewiss keinen Schönheitspreis gewinnen. Und da diese Leute sich nicht verheiraten, muss diese Frau wohl seine Konkubine sein, wenn nicht etwas anderes.«
Beim Wort »Konkubine« drückte seine Miene tiefste Verachtung aus. Jeder sollte sehen, dass er es den anwesenden Damen gegenüber nicht an Achtung fehlen ließ, indem er einen Begriff verwendete, der in der Universalsprache äußerst drastisch war. Andererseits war es der einzige Begriff, der diese schlichten, ja primitiven Gebräuche der bürgerlichen Gesellschaft umschreiben konnte.
Der Kommandant rief einem der Besatzungsmitglieder in einer Mischung aus Galaktisch und Gorin etwas zu, und der Mann antwortete in derselben Sprache. Es gab einen kurzer Wortwechsel; dann wandte der Kommandant sich wieder den anderen zu und sagte: »Hier haben Sie ein schönes Beispiel für linguistisches Unverständnis: Mein Crewmitglied sagt, dass es sich bei der Frau um die Schwester des Mannes handelt. Aber er benutzte das Wort ›Oedaï‹, ein Begriff, den ich nicht kenne, der aber deutlich macht, dass man einer Oedaï gegenüber
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