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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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sich einen Weg durch das Unterholz bahnen. Diese Schneisen, habe ich gelesen, weiten sich zu einer Art Pfad, der es ermöglicht, dass man die Umgebung besser einsehen kann. Und weil das die einzigen Plätze sind, an denen man auf einen der großen Fleischfresser treffen kann, sind wir gewissermaßen vorgewarnt. An der steilen Böschung des Flusses sind nur die ganz kleinen Räuber unterwegs.«
    »Oh, die reichen aber schon«, meinte Saïda und zählte an den Fingern ab: »Reyo, Néko, Abbax, Tica ... Wenn wir auf diese Biester treffen, müssen wir versuchen, uns auf einen Baum zu retten. Nur Ticas können klettern.«
    Mauro beteiligte sich nicht am Gespräch; er begnügte sich damit, einfach nur schweigend dazusitzen. Außerdem wirkte er begriffsstutzig. Lara musste bei einem Blick in sein Gesicht an Tarrs Miene denken, wenn dieser bockig war und sich weigerte, mit Fremden zu sprechen. Deshalb fragte niemand Mauro nach seiner Meinung. Doch plötzlich brach es aus ihm heraus:
    »Wohin sollen diese endlosen Diskussionen eigentlich führen? Wir können nicht vorausplanen, wir werden uns auf jede neue Situation einstellen müssen. Es ist besser, mit dem sinnlosen Geschwätz aufzuhören und sich wieder dem Training zu widmen.«
    »Nein, Mauro, das reicht«, sagte Lara. »Wir haben alles Mögliche trainiert. Wenn wir jetzt noch nicht so weit sind, werden wir es niemals sein.«
    Doch am Abend dieses Tages – die Sonne ging gerade unter   – erschien unerwartet ein Erwachsener im Haus und teilte Lara mit: »Es geht los.«
    Sie hatte überhaupt nicht das Gefühl, bereit zu sein.
    *
    Lara stand auf und zog sich in aller Ruhe an. Dann folgte sie dem Unbekannten zum Flussufer, wo sie auf ihre Altersgenossen und auf die Kameraden aus ihrer Gruppe traf: Rico, die Beste im Fechten; Saïda, der Kämpfer, der fast so stark war wie ein männlicher Asix; Rin, groß und hager, aber keineswegs schwach und der schnellste Läufer, den Lara kannte, und schließlich Mauro, robust und immer die Ruhe selbst. Dennoch hatte Lara Angst. Auch in den Augen der anderen sah sie diese Furcht, die ein Shiro niemals zeigen durfte.
    Sie stiegen auf eines der Segelboote, die sie auf die andere Seite des Corosaï bringen würden. Sie waren jeweils zu fünft, zumindest diejenigen, die es geschafft hatten, eine komplette Gruppe zu bilden. Einige waren zu viert oder zu dritt, andere ganz allein. Letztere wollte niemand in seiner Gruppe haben.
    »Zieht euch aus«, befahl ein erwachsener Shiro kurz und knapp. »Ihr dürft nur eure Stiefel und euer Messer behalten.«
    Schweigend gehorchten sie, wobei sie sich heimlich umschauten: Niemals hätten sie auch nur im Entferntesten daran gedacht, dass sie sogar die Kleidung ausziehen müssen. Wenigstens ließ man ihnen die Stiefel, die nötig waren, um Füße und Beine vor den giftigen Skorpionen zu schützen. Die Skorpione waren in ihren Verstecken unter der Erde nicht zu sehen, doch wenn sie die Vibrationen des Bodens verspürten – sobald ein Tier darüber lief, zum Beispiel –, schnellten sie wie ein Pfeil heraus. Und ohne ihr Messer wären Lara und die anderen wirklich nackt gewesen. Einer von ihnen hing sich das Futteral mit dem Messer um den Hals, und alle anderen machten es ihm nach. Die Frau sammelte Tuniken und Hosen ein, gab dem an der Ruderpinne sitzenden Shiro ein Zeichen und sprang auf den Steg.
    Zwei andere erwachsene Shiro schoben das schwere Boot an, das sich stromabwärts auf den Weg machte, während eine andere Gruppe Jugendlicher gerade dabei war, auf das nächste Segelboot zu steigen. Die Reise war lang: Es ging flussabwärts bis nach Sovesta, dann weiter den Flussarmen folgend – im tiefen Wasser, damit das Boot nicht strandete – durch das Sumpfgebiet.
    In der Dunkelheit hörte man dumpfe Geräusche und beruhigendes Plätschern. Noch befand man sich nicht auf dem Territorium der großen Raubtiere, aber womöglich gab es auch hier schon einige Exemplare, vor denen man auf der Hut sein musste.
    Im Morgengrauen hatten sie das Sumpfgebiet durchfahren, aber noch hielten sie nicht an. Bald war die andere Seite der Hügel, die Wildnis, erreicht. Über ihren Köpfen erhoben sich riesige Dschungelpflanzen, die mit ihren Blättern und Zweigen einen blaugrünen Tunnel bildeten und sich über dem Wasserlauf wieder vereinten. Die Sonne konnte Blätter und Zweige nicht durchdringen; das Licht war allenfalls ein wenig stärker als in der Nacht der zwei Monde. Das Unterholz lebte in ewigem

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