Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht der Anderen

Das Gesicht der Anderen

Titel: Das Gesicht der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverly Barton
Vom Netzwerk:
nicht zu klein, Durchschnitt eben. Das war das Wort, das Charlie überhaupt am besten beschrieb. Außer seinem ausgesprochen guten Geschmack in Sachen Kleidung und anderen materiellen Dingen zeichnete ihn eigentlich nichts aus. Charlie arbeitete seit seinem Schulabschluss für ihren Vater, und hinter G. W.s Rücken wurde gemunkelt, dass Charlie niemals so schnell die Karriereleiter hinaufgeklettert wäre, wäre er nicht G. W.s Patensohn.
    “Daddy ist mit Jefferson und Davis unterwegs”, antwortete Tessa.
    “Charlie, sieh doch mal nach, ob du Onkel G. W. finden kannst, und sag ihm, dass Tante Sharon gleich heute Morgen in Key West in den Flieger gestiegen ist und sich auf dem Weg hierher befindet.” Celia war die jüngere Version von Myrle. Ebenso platinblond – und ebenso gefärbt – und mit dem berüchtigten Hang zur Dramatik. Versnobt ohne Ende. Obwohl Tessa und Celia als Kinder immer zusammen gespielt hatten und beste Freundinnen gewesen waren, hatte Tessa nach ihrem “Unfall” irgendwie keinen Draht mehr zu ihrer Cousine gefunden.
    Charlie und Celia waren seit einem Jahr ein Paar, es hatte sich kurz nach Celias zweiter Scheidung ergeben, und alle warteten auf ihre baldige Verlobung. Tessa wünschte ihnen von Herzen alles Gute und empfand eine gewisse Erleichterung, dass endlich nicht mehr sie das Ziel von Charlies Bemühungen war. Jahrelang hatte er versucht, sie davon zu überzeugen, ihn doch noch zu heiraten. Aber sosehr sie ihn mochte, als ihren Ehemann konnte Tessa sich Charlie nicht vorstellen. Ihr war zwar klar, dass sich ihr Vater über nichts so sehr gefreut hätte wie über eine Hochzeit zwischen ihr und Charlie, doch schließlich hatte sich G. W. damit abgefunden, dass seine Tochter wohl unverheiratet bleiben würde.
    “Lass Daddy in Ruhe”, sagte Tessa schärfer als beabsichtigt. “Bitte. Er ist ohnehin schon ein Nervenbündel, und Lucie und ich hatten die größte Mühe, ihn für eine Weile aus dem Haus zu lotsen.”
    “Natürlich ist er ein Nervenbündel! Er vergöttert Leslie Anne. Er muss ja ganz krank vor Sorge sein wegen ihres Verschwindens.” Myrle sah die anderen an und richtete dann ihren Blick auf Hal Carpenter, der in der Halle wartete. “Hal, bitte seien Sie so gut und bitten Sie Eustacia, Kaffee und vielleicht ein paar Sandwiches zu machen. Und mir bringen Sie in der Zwischenzeit einen Sherry. Ich bin völlig durch den Wind und brauche etwas zur Beruhigung.”
    Hal sah Tessa an. Sie nickte. “Ja, bitte bringen Sie Tante Myrle ein Glas Sherry und bitten Sie Eustacia, Kaffee und Sandwiches zu machen.” Tessa besann sich auf ihre Rolle als Gastgeberin, und obwohl sie am liebsten allen gesagt hätte, sie sollten sofort wieder gehen, fragte sie nun in die Runde: “Möchte sonst noch jemand etwas trinken?”
    “Ich nehme auch einen Sherry”, meldete sich Celia.
    “Einen Bourbon. Pur”, kam von Charlie.
    “Lucie?”, fragte Tessa.
    “Ich warte auf den Kaffee.”
    “Gut. Dann war es das, Hal.” Tessa ging hinüber zu Lucie, sah sie an und sagte leise zu ihr: “Jetzt geht der Zirkus gleich richtig los. Wenn Sie merken, dass mir das alles zu viel wird und ich kurz davor bin, alle anzuschreien, sie sollen verschwinden, schreiten Sie bitte ein.”
    “Okay, ich passe auf”, versprach Lucie mit einem Lächeln.
    “Was gibt es denn zu flüstern?”, fragte Myrle mit tadelndem Blick, wobei sich die Falten auf ihrer Stirn und rund um die Augen vertieften. Es war mal wieder höchste Zeit für ihre nächste Botox-Behandlung. “Meine Güte, Tessa! Dieses Geflüster gehört sich wirklich nicht.”
    “Entschuldigung”, sagte Tessa und wechselte abrupt das Thema. “Ehrlich gesagt, Charlie, könntest du doch mal Daddy suchen gehen. Es wird bald dunkel, und sicher ist es auch schon kühl. Ich glaube, er hat keine Jacke mitgenommen.”
    “Ja, natürlich”, antwortete Charlie. “Weißt du, in welche Richtung er gehen wollte?”
    “Vermutlich runter zum Fluss, auf dem kleinen Waldweg bei der alten Schrotmühle. Das ist sein Lieblingsweg, und die Hunde lieben ihn auch.”
    Celia nahm Charlies Arm. “Zieh bitte deinen Mantel an. Wir wollen ja nicht, dass du dich erkältest.”
    Charlie küsste Celia auf die Wange, sah dabei aber zu Tessa, wohl um ihre Reaktion zu testen. Tessa blickte schnell in eine andere Richtung.
    Myrle setzte sich in G. W.s Sessel neben dem Kamin. “Hal sollte Holz nachlegen, das Feuer ist ja schon ganz heruntergebrannt. Und man muss Eustacia Bescheid geben,

Weitere Kostenlose Bücher