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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schüttelte den Kopf. »Dreißig lächerliche Sekunden und wir hätten ihn verschnürt wie ein Weihnachtspaket.« Dann nickte der Agent in Richtung der großen 45er Glock, die an Coes Gürtel hing. »Und falls er wirklich etwas vorhatte, wie konnten Sie mit einer solchen Knarre aus fünfzehn Metern Entfernung vorbeischießen? Sogar ich hätte ihn getroffen, aber ich feuere meine Kanone ja auch öfter als nur einmal pro Jahr ab. Scheiße.«
    Coes herausfordernde Haltung legte sich. »Ich habe es unter den gegebenen Umständen für die richtige Entscheidung gehalten«, räumte er zerknirscht ein. »Ich wollte das Leben der Kollegen retten.«
    Dellray zog die Zigarette hinter dem Ohr hervor und schien sie sich jeden Moment anzünden zu wollen. »Bis hierhin und nicht weiter. Ab sofort besitzt der INS nur noch Beraterstatus und nimmt weder Einfluss auf unsere taktischen Entscheidungen noch an den Einsätzen teil.«
    »Das können Sie nicht tun«, sagte Coe und sah ihn drohend an.
    »O doch, mein Sohn, das kann ich. Die Zuständigkeit ist eindeutig geregelt. Ich werde in die Zentrale fahren und alles Notwendige veranlassen.« Er machte auf dem Absatz kehrt und ging. Coe murmelte etwas, das Sachs nicht verstand.
    Sie sah, dass Dellray in seinen Wagen stieg, die Tür zuknallte und in hohem Tempo wegfuhr. Dann drehte sie sich wieder zu Coe um. »Hat sich schon jemand um die Kinder gekümmert?«
    »Die Kinder?«, fragte er zerstreut. »Ach so, die Kinder der Wus. Keine Ahnung.«
    Die Eltern hatten voller Angst darum gebeten, dass man die Kinder so schnell wie möglich zu ihnen ins Krankenhaus bringen möge.
    »Ich habe deswegen Bescheid gegeben«, sagte Coe desinteressiert und meinte damit vermutlich seine Mitarbeiter beim INS. »Ich schätze, man wird jemanden schicken, um sie in Gewahrsam zu nehmen. Das ist die übliche Prozedur.«
    »Nun, es geht mir nicht um irgendwelche Prozeduren«, fuhr sie ihn an, »Da drinnen sitzen mutterseelenallein zwei Kinder und haben soeben eine Schießerei vor ihrer Wohnung gehört. Meinen Sie nicht, die beiden könnten ein wenig verängstigt sein?«
    Coe hatte für einen Tag genügend Strafpredigten über sich ergehen lassen. Wortlos drehte er sich um, ging zu seinem Wagen und nahm sein Mobiltelefon aus der Tasche. Als er mit quietschenden Reifen losfuhr, hielt er den Apparat ans Ohr gepresst.
    Sachs rief Rhyme an und teilte ihm die schlechte Nachricht mit.
    »Was ist passiert?«, fragte er und klang noch wütender als Dellray.
    »Einer unserer Leute hat gefeuert, bevor wir in Stellung gehen konnten. Die Straße war noch nicht abgeriegelt, und der Geist hat sich den Weg freigeschossen. Rhyme, es war Alan, dem die Nerven durchgegangen sind.«
    »Coe?«
    »Ja.«
    »O nein.«
    »Dellray will die Rolle des INS weiter einschränken.«
    »Das dürfte Peabody nicht gefallen.«
    »Fred ist im Augenblick nicht in der Stimmung, darauf auch nur die geringste Rücksicht zu nehmen.«
    »Gut«, sagte Rhyme. »Wir brauchen jemanden, der das Heft in die Hand nimmt. Es geht immer noch viel zu langsam voran, und das gefällt mir nicht.« Er hielt kurz inne. »Ist jemand ums Leben gekommen?«
    »Es gibt ein paar leicht verletzte Beamten und Zivilisten. Nichts Ernstes.« Sie sah Eddie Deng. »Ich muss mich jetzt um die Kinder der Wus kümmern, Rhyme. Sobald ich die Spuren gesichert habe, rufe ich wieder an.«
    Sie unterbrach die Verbindung und wandte sich an Deng. »Ich brauche einen Übersetzer, Eddie. Für die Kinder der Wus.«
    »Gern.«
    Sachs deutete auf den Chevrolet mit den Einschusslöchern. »Lassen Sie niemanden an den Wagen heran«, rief sie einem der uniformierten Cops zu. »Ich kümmere mich gleich um die Spuren.« Der Mann nickte.
    Dann ging sie mit Deng zu der Wohnung. »Ich möchte nicht, dass die Kinder allein zum INS geschleppt werden, Eddie«, sagte sie. »Können Sie die beiden hier rausschaffen und zu ihren Eltern in die Klinik bringen?«
    »Na klar.«
    Sie stiegen die wenigen Stufen hinab, die zu den Kellerräumen führten. In der Gasse lag überall Abfall, und Sachs wusste, dass es in den dunklen Zimmern wahrscheinlich stinken und von Kakerlaken wimmeln würde. Das muss man sich mal vorstellen, dachte sie: Die Wus hatten ihr Leben aufs Spiel gesetzt, eine Gefängnisstrafe riskiert und die Entbehrungen der schrecklichen Überfahrt auf sich genommen, um einen solch ekelhaften Ort ihr Zuhause nennen zu dürfen.
    »Welche Nummer?«, fragte Deng, der vor Sachs ging.
    »Eins B«, antwortete

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