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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Plastikbecher. »Mein Vater. Er mag mich nicht besonders. Ich bin für ihn ein. Wie sagt man das, wenn man nicht den Erwartungen entspricht?«
    »Eine Enttäuschung?«
    »Ja, ich bin für ihn eine Enttäuschung.«
    »Wieso?«
    »Ach, das hat viele Gründe. Wenn Sie möchten, kann ich es kurz für Sie zusammenbinden.«
    »Zusammenfassen.«
    »Anfang der zwanziger Jahre wollte Dr. Sun Yatsen China vereinen, aber es kam zu einem Bürgerkrieg. Die Kuomintang - die Nationalpartei - stand unter dem Vorsitz von Chiang Kaishek. Aber die Anhänger der Gongchantang - die Kommunisten - kämpften gegen sie. Dann fiel Japan bei uns ein, und es brach für alle eine schlimme Zeit an. Nach der Niederlage der Japaner ging der Bürgerkrieg weiter, und am Ende gewannen Mao Tsetung und die Kommunisten und vertrieben die Nationalisten nach Taiwan. Mein Vater hat auf der Seite Maos gekämpft und stand im Oktober 1949 mit dem Großen Vorsitzenden am Tor des Himmlischen Friedens in Peking. O Loaban , diese Geschichte habe ich Millionen Mal gehört. Wie er dort stand und die Kapelle den Marsch der Freiwilligen gespielt hat. Was für ein patriotischer Schwachsinn!
    Mein Vater bekam also guanxi. Beziehungen bis ganz nach oben. In Fujian wurde er ein hohes Tier bei der Kommunistischen Partei, und ich sollte seinem Vorbild folgen. Aber ich habe gesehen, was ab 1966 passiert ist - während der Historisch Beispiellosen Großen Proletarischen Kulturrevolution. Die Kommunisten haben alles zerstört, haben gemordet und unendliches Leid verbreitet. Die Regierung und die Partei haben Unrecht getan.«
    »Es war nicht natürlich«, sagte Rhyme. »Es war gegen die Harmonie.«
    »Ganz genau, Loaban.« Li lachte. »Mein Vater wollte, dass ich in die Partei eintrete. Er hat es mir befohlen. Wollte mich zwingen. Aber die Partei ist mir egal. Und die Kollektive auch.« Er winkte ab. »Große Ideen bedeuten mir nichts. Ich mag die Polizeiarbeit. Ich fange gern Verbrecher. Immer neue Rätsel, immer neue Herausforderungen. Meine Schwester steht in der Partei ganz weit oben. Unser Vater ist stolz auf sie, obwohl sie eine Frau ist. Er sagt, sie bringt keine Schande über ihn wie ich. Er sagt es immer wieder.« Seine Miene verfinsterte sich. »Hinzu kommt, dass ich keinen Sohn - keine Kinder - habe, obwohl ich verheiratet gewesen bin.«
    »Sind Sie geschieden?«, fragte Rhyme.
    »Meine Frau ist tot. Sie wurde krank und starb. Irgendein Fieber, böse Sache. Wir waren nur wenige Jahre verheiratet und sind kinderlos geblieben. Mein Vater sagt, es sei meine Schuld. Wir haben es versucht, aber sie wurde nicht schwanger. Und dann ist sie gestorben.« Er stand auf, ging zum Fenster und starrte auf die Lichter der Stadt hinaus. »Mein Vater ist sehr streng. Als Kind hat er mich oft geschlagen. Was ich auch getan habe, es war nie gut genug. Ich hatte gute Noten. war ein guter Schüler. In der Armee wurden mir Auszeichnungen verliehen.
    Dann habe ich ein nettes, anständiges Mädchen geheiratet, einen Job bei der Öffentlichen Sicherheit bekommen und bin Kriminalbeamter geworden, nicht bloß Verkehrspolizist. Jede Woche habe ich meinen Vater besucht, habe ihm Geld gegeben, bin zum Grab meiner Mutter gegangen. Aber für ihn hat nichts davon gezählt. Was ist mit Ihren Eltern, Loaban ?«
    »Sie sind beide tot.«
    »Meine Mutter war nicht so streng wie der Vater, aber sie hat nie viel gesagt. Sie durfte nicht... Hier im Schönen Land stehen Kinder nicht so sehr - wie sagt man? - unter der Schwerkraft der Eltern?«
    Gute Formulierung, dachte Rhyme. »Vielleicht nicht so sehr. Aber das gilt nicht für alle.«
    »Respekt vor den Eltern bedeutet uns sehr viel.« Er schaute zur Statue von Guan Di. »Am wichtigsten von allen Göttern sind die eigenen Vorfahren.«
    »Vielleicht hält Ihr Vater mehr von Ihnen, als er sich anmerken lässt. Alles nur Fassade, Sie wissen schon. Weil er glaubt, es sei so am besten für Sie.«
    »Nein, er mag mich nicht. Niemand wird den Familiennamen weitergeben. Das ist sehr schlimm.«
    »Sie werden eine neue Frau kennen lernen und eine Familie gründen.«
    »Jemand wie ich?« Li schnaubte verächtlich. »Nein, nein. Ich bin bloß ein Polizist und habe kein Geld. Die meisten Männer meines Alters arbeiten als Geschäftsleute in Fuzhou und verdienen sehr gut. Die können sich alles Mögliche leisten. Wissen Sie noch, es gibt bei uns mehr Männer als Frauen. Weshalb sollte eine Frau sich einen armen alten Mann aussuchen, wenn sie einen reichen jungen Mann

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