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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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würde das wundersame »Konzil«, in dessen Verlauf über die zusätzlichen Agenten des GHOSTKILL-Teams entschieden werden sollte, leider verspätet anfangen.
    »Die sagen, bis heute Nachmittag sei alles geregelt.«
    »Was meinen die mit alles?«, fragte Rhyme sarkastisch. »Und was soll großartig geregelt werden, bevor wir Verstärkung bekommen? Wissen die nicht, dass da draußen ein Killer unterwegs ist?«
    »Wollen Sie selbst mit denen sprechen?«
    »Nein«, wetterte Rhyme. »Ich will mir die Beweise ansehen.«
    Sachs' Untersuchung der Wohnung des Geists an der Patrick Henry Street hatte zu teilweise entmutigenden Ergebnissen geführt. Das Mobiltelefon, anhand dessen sie den Unterschlupf ausfindig gemacht hatten, war leider in dem Hochhaus zurückgeblieben. Hätte der Geist es weiterhin benutzt, wäre eventuell eine Peilung möglich gewesen. Daraus ließ sich schließen, dass er die Gefahr vermutlich erkannt hatte und in Zukunft bei Telefonaten im Funknetz umsichtiger vorgehen würde.
    Im Gegensatz zu seinem am Vortag erschossenen Landsmann trug der in der Wohnung gefundene Uigure Papiere bei sich, nämlich einen Führerschein und eine Karte, auf der die Adresse des turkestanischen Kulturzentrums in Queens stand. Zurzeit waren Bedding und Saul mit einem Einsatzteam vor Ort und vernahmen den Leiter der Organisation. Der behauptete, er habe lediglich von irgendeinem namenlosen Chinesen gehört, der in der Nachbarschaft auf der Suche nach ein paar Möbelpackern gewesen sei. Darüber hinaus wisse er nichts. Die Zwillinge versprachen, ihn noch eine Weile unter Druck zu setzen, fürchteten aber, er würde eher ins Gefängnis gehen als den Geist zu verraten.
    Der Name im Mietvertrag des Apartments half ihnen auch nicht weiter: Harry Lee. Alle Angaben sowie seine Sozialversicherungsnummer waren gefälscht, und der beglaubigte Mietscheck stammte von einer Bank mit Sitz in der Karibik. »Lee« sei in China so häufig wie »Smith« im englischsprachigen Raum, erläuterte Deng.
    Der Körper des alten Mannes, der an einer Überdosis Morphium gestorben war, erwies sich als etwas aufschlussreicher. In seiner Brieftasche fand sich ein vom Meerwasser durchweichter und verwischter Pass, demzufolge es sich bei ihm um Chang Jiechi handelte. Dahinter versteckt entdeckten sie ein sehr altes Stück Papier. Deng lächelte traurig. »Seht euch das an. Die Unterschrift stammt von Chiang Kaishek, dem Anführer der Nationalisten. In dem kurzen Text wird Chang Jiechi dafür gedankt, dass er gegen die Kommunisten gekämpft und das chinesische Volk vor einer Diktatur bewahrt hat.«
    Rhyme betrachtete die Detailfotos, die unterhalb der Aufnahmen von Chang Jiechis Leiche hingen. Sie zeigten die Hände des alten Mannes. Der Kriminalist bewegte seinen eigenen Finger ein kleines Stück und ließ den Storm Arrow dicht vor die Tafel rollen.
    »Hier«, sagte er. »Seine Hände.«
    »Ich habe die Bilder wegen der Flecke angefertigt«, sagte Sachs.
    Chang Jiechis Finger und Handflächen waren mit blauschwarzen Klecksen übersät. Farbe oder Tinte. Eindeutig keine violetten Leichenflecke - die zudem nicht so kurz nach dem Tod aufgetreten wären.
    »Die Finger!«, rief Rhyme. »Achte auf die Finger!«
    Sachs kniff die Augen zusammen und trat näher heran. »Einkerbungen!« Sie nahm die Vergrößerung von Sam Changs Fingerabdrücken von der Wand und hielt sie neben das Foto. Es bestand ein deutlicher Größenunterschied - und die Haut des alten Mannes war sehr viel runzliger -, aber die Einschnitte, die Rhyme bereits bei Sam Chang festgestellt hatte, fanden sich in genau der gleichen Anordnung an Fingern und Daumen seines Vaters wieder.
    Bislang hatten sie als Ursache eine Verletzung vermutet, aber das war zweifellos nicht der Fall.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Mel Cooper. »Ist es genetisch bedingt?«
    »Nein, das kann nicht sein«, sagte Rhyme und konzentrierte sich auf das Foto der Hand des alten Mannes. Er schloss die Augen für einen Moment und schickte seinen Geist auf Reisen - so als würde einer der Wanderfalken, die auf dem Sims vor seinem Schlafzimmerfenster nisteten, sich in die Lüfte erheben. Tinte an den Fingern, Einkerbungen. Dann hob er ruckartig den Kopf und sah Sachs an. »Sie sind Maler! Vater und Sohn sind Künstler. Erinnerst du dich noch an das Logo des Home Store auf dem Kleinbus? Einer von ihnen hat es gemalt.«
    »Nein«, sagte Li und musterte die Aufnahme. »Nicht Maler. Kalligraphen. In China ist Kalligraphie sehr

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