Das Gesicht des Drachen
Brücke. »Der nächste Hubschrauber ist bereits unterwegs, um Sie abzuholen, Officer.« Er hatte zwei große, mit Deckeln versehene Styroporbecher dabei und reichte ihr einen.
»Danke.«
Sie nahmen die Deckel ab. Der Captain hatte dampfenden schwarzen Kaffee in seiner Tasse.
Amelia lachte. In ihrem Becher war Fruchtsaft, den man - das konnte sie riechen - mit einem großzügigen Schuss Rum vermischt hatte.
...Achtunddreißig
Feng Shui, was wörtlich übersetzt Wind und Wasser bedeutete, stand für die Kunst, gute und glückbringende Energie einzufangen und schlechte Einflüsse abzuwehren.
Überall auf der Welt wurde Feng Shui eingesetzt, aber infolge der erstaunlich großen Anzahl von Regeln und der selten vorhandenen Fähigkeit, die Dynamik des Guten und Bösen richtig einzuschätzen, gab es nur sehr wenige wirklich talentierte Fachleute auf diesem Gebiet. Feng Shui erforderte weitaus mehr als nur die Anordnung von Möbelstücken, wie Loabans Betreuer gemeint hatte, und die Wohnung des Geists war eindeutig von einem Meister gestaltet worden. In China hätte Sonny Li eine Vielzahl potenzieller Kandidaten nennen können, aber in New York war ihm kein einziger Fachmann bekannt.
Anstatt jedoch bei der Suche in der Gegend herumzurasen wie Hongse mit ihrem gelben Wagen, blieb Li seiner taoistischen Überzeugung treu.
Man lebt nicht durch Handlungen; man lebt durch das Sein ...
Und so setzte Detective Sonny Li sich in die eleganteste Teestube, die er in Chinatown finden konnte, und lehnte sich lässig auf dem Stuhl zurück. Er bestellte eine Tasse des seltsamen Getränks: mit Zucker gesüßter und durch Milch aufgehellter Tee. Auf dem Boden des hohen Gefäßes schwammen große, kaugummiartige schwarze Tapiokaperlen, die man durch einen breiten Strohhalm aufsaugte und aß. Wie der berühmte, in Fuzhou sehr beliebte (und gleichermaßen teure) schäumende Eistee, war auch dieses Getränk eine taiwanesische Kreation.
Sonny machte sich nicht viel aus dem Tee, aber er stellte ihn vor sich hin, um an diesem Platz längere Zeit sitzen bleiben zu können. Sein Blick schweifte durch den modern gestalteten Raum, der dem Geist eines übereifrigen Designers entsprungen schien. Die Stühle waren aus Metall und mit violettem Leder bezogen, das Licht gedämpft und die Tapete mit nachgeahmten Zen-Motiven versehen. Scharen von Touristen strömten herein, kippten ihren Tee hinunter und eilten dann weiter zu den nächsten Sehenswürdigkeiten Chinatowns, wobei sie reichlich Trinkgelder zurückließen. Anfangs glaubte Sonny Li, die Leute hätten vergessen, ihr Wechselgeld einzustecken; in China waren Trinkgelder unüblich.
Er saß einfach da und nippte gelegentlich an seinem Tee. Dreißig Minuten vergingen. Fünfundvierzig.
Man lebt durch das Sein ...
Seine Geduld wurde schließlich belohnt. Eine attraktive Chinesin von ungefähr vierzig Jahren betrat das Lokal, nahm in der Nähe Platz und bestellte Tee.
Die Frau trug ein wunderschönes rotes Kleid und hohe schmale Absätze. Sie las die New York Times und setzte dazu eine modische Lesebrille mit kleinen rechteckigen Gläsern auf, deren blaues Gestell nicht dicker als ein Bleistiftstrich war. Die meisten Chinesinnen, die in Chinatown einkauften, schleppten billige Plastiktüten mit sich herum, die vom häufigen Gebrauch zerknittert waren. Diese Frau hingegen hatte eine Einkaufstasche aus makellos weißem Papier, in der eine mit goldener Kordel verschnürte Schachtel lag. Sonny entzifferte die Aufschrift der Tüte: SAKS FIFTH AVENUE.
Es war genau die Art von Frau, die Li sich wünschte und doch niemals bekommen würde, da machte er sich nichts vor: Gepflegt, elegant, schön, das Haar so glänzend und dicht wie das schwarze Gefieder einer Krähe, das schmale Gesicht mit leicht vietnamesischem Einschlag, so dass die chinesischen Züge auf überaus anziehende Weise betont wurden, mit wachem Blick, leuchtend roten Lippen und Fingernägeln, auf die sogar die Witwe des Kaisers neidisch gewesen wäre.
Er betrachtete erneut ihr Kleid, ihren Schmuck, ihr frisiertes Haar und kam zu dem Schluss: Ja, die ist es. Also nahm er seinen Tee, ging zu ihr und stellte sich vor. Dann setzte er sich; der Stuhl, den er wählte, stand neben, aber nicht an ihrem Tisch, so dass sie sich nicht bedrängt fühlen würde. Sie unterhielten sich über das Schöne Land, über New York, über ausgefallene Teesorten und über Taiwan, wo sie geboren war. Dann endlich kam Li zum eigentlichen Thema.
»Warum
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