Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
genommen. Er war Student der Biologie und schrieb gerade an seiner Diplomarbeit. Um etwas Geld zu verdienen, jobbte er bei einem zoologischen Institut und bei einer Landschaftsgärtnerei. Weder an der Uni noch bei seinen Arbeitgebern verhielt er sich auffällig. Er wurde als ganz und gar normaler Mensch bezeichnet.
Zur Familie seiner Lebensgefährtin verhielt sich Merz distanziert. Man war nicht besonders gut aufeinander zu sprechen. Doch konnte niemand aus der Familie etwas wirklich Negatives über ihn sagen.
Bei mehreren, in kurzen Zeitabständen erfolgten Vernehmungen hinterließ Merz einen glaubhaften Eindruck. Er verwickelte sich in keinerlei Widersprüche. Abgesehen davon, dass er das Verschwinden seiner Partnerin viel zu spät anzeigte und er kein Alibi hatte, war ihm nicht das Geringste anzulasten.
Eine Wohnungsdurchsuchung nach eventuellen Hinweisen auf eine vorangegangene gewalttätige Auseinandersetzung oder sonstigen belastenden Indizien verlief auch negativ. Der sogenannte Anfangsverdacht gegen Merz konnte somit trotz intensiver Ermittlungsarbeit nicht weiter erhärtet werden.
Vielmehr sprach die Tatsache, dass Susi Bahm auf dem Hallenbadparkplatz getötet wurde, dafür, dass Klaus Merz kaum der Mörder sein konnte, zumal er sich zu Hause um das Baby kümmern musste und kein Fahrzeug zur Verfügung hatte.
Die Befürworter der Fremdtäter-Theorie erhielten Nahrung, als die Kriminaltechniker bei ihrer überaus akribischen Arbeit im Fahrzeug der Susi Bahm einen Fingerabdruck fanden, den sie weder dem Opfer noch irgendjemandem aus dessen Bekannten- und Verwandtenkreis zuordnen konnten. Die große Frage war, ob diese Fingerspur vom Täter hinterlassen worden war, oder ob sie von einer harmlosen Person stammte, die irgendwann einmal in dem Fahrzeug saß. Alle Hoffnungen, den Mord alsbald aufzuklären, ruhten auf dem sogenannten AFIS des Bundeskriminalamtes. AFIS ist die Abkürzung für Automatisches Fingerabdruck Identifizierungssystem. Einfach ausgedrückt, kann man bei diesem hochtechnisierten und computergesteuerten Verfahren eine in eine Formel aus Zahlen und Buchstaben gebrachte Fingerspur eines Täters in kurzer Zeit mit allen, ebenfalls verformelten Fingerabdrücken sämtlicher in der Bundesrepublik straffällig gewordenen Tätern abgleichen. Stimmen gewisse Merkmale überein, spuckt der Computer einen Treffer aus. Um absolut sicherzustellen, ob die Fingerspur tatsächlich einem bekannten Straftäter zugeordnet werden kann, wird anschließend noch eine manuelle Auswertung vorgenommen.
Zur eindeutigen Überführung eines Täters werden von deutschen Gerichten die Übereinstimmung von zwölf sogenannten Minutien gefordert. Wenn das Grundmuster des Fingerabdruckes erkennbar ist, werden auch acht Minutien anerkannt.
Unter Minutien versteht man kleine Verästelungen oder Beschädigungen an bestimmten Stellen der feinen Papillarlinien, die sich an der Oberhaut von Fingerkuppen befinden. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass es auf der ganzen Welt keine zwei Menschen gibt, die gleiche Papillarlinien an den Fingern haben. Auf dieser Erkenntnis beruht die Feststellung, dass vor Gericht eine dem Täter zugeordnete Fingerspur als absoluter Beweis gilt.
Die Hoffnungen, den Täter mit dem AFIS zu ermitteln, zerschlugen sich jedoch schon nach kurzer Zeit. Nachdem die in Susi Bahms Auto gefundene Fingerspur von einem Daktyloskopen, einem bei der Kriminalpolizei für die Identifizierung der Täter anhand von Fingerspuren zuständigen Experten, verformelt und in den AFIS-Computer eingegeben worden war, spuckte der Rechner nicht den erhofften Treffer aus. Somit war anzunehmen, dass der Fingerabdruck von keinem in Deutschland erfassten Straftäter hinterlassen worden war.
Parallel zu den Ermittlungen im Bekanntenkreis des Opfers wurden dennoch alle infrage kommenden ortsansässigen Straftäter überprüft. In diese Überprüfung wurden auch die Freigänger einer nur etwa 800 Meter Luftlinie vom Tatort entfernten Justizvollzugsanstalt einbezogen.
Freigänger sind Strafgefangene, die in aller Regel lange Haftstrafen abzusitzen haben, deren Entlassung jedoch in absehbarer Zeit bevorsteht und die etwa sechs bis neun Monate vor ihrer Freilassung so nach und nach wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden sollen. Der Freigang soll unter anderem zu einer Arbeitsaufnahme, aber auch dazu genutzt werden, sich an die während ihrer langen Haftzeit meist stark veränderten Gegebenheiten des Alltags zu gewöhnen oder
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