Das Gespinst des Bösen
durch die Küche, stellte Ethel etwas zu fressen hin, rauchte eine halbe Zigarette und hörte den Anrufbeantworter im Spülküchenbüro piepen. Schließlich drückte sie ihre Zigarette aus, ging hinüber und hörte die Nachricht ab.
«Ich komme vorbei, junge Frau. Vormittags hab ich was zu klären, es wird also früher Nachmittag.»
Huw schien schon auflegen zu wollen, sagte dann aber noch etwas.
«Der Kerl beim Herzogtum, über den wir geredet haben. Kein Grund zur Sorge.»
Wieder Stille, Fragen zogen durch das Sepia-Licht in der Spülküche wie Dampf. Da war ein leises Klopfen am Fenster; Merrily fuhr herum.
«Aber gehen Sie Dunmore vorerst noch aus dem Weg»
, sagte Huw.
«Du hast gesagt, dir ist egal, wie spät», sagte Lol an der Hintertür. «Ich bin seit einer Stunde zurück, aber du warst offensichtlich beschäftigt.»
«Warum bist du nicht einfach
rein
gekommen?»
Sie hatten vor Monaten schon Schlüssel ausgetauscht.
«Ich dachte, ich laufe ein bisschen rum.»
Vielleicht lag es am Licht oder daran, das es spät war, aber er wirkte erledigt, erschöpft, so sorgenvoll und matt wie Jesus auf dem Gemälde
Das Licht der Welt
, das immer noch in der Eingangshalle des Pfarrhauses hing.
«Möchtest du was essen?»
«Nein danke. Keinen Hunger.»
«Sicher?»
«Mir geht’s gut. Wirklich.»
«Dann komm ins Bett», sagte Merrily.
46 Nennen Sie es von mir aus Aberglauben
Sie war um Viertel vor neun auf dem Bauernhof. Kein Problem – Roxanne schätzte, dass sie seit fünf Uhr auf den Beinen war. Eine drahtige Frau, Anfang dreißig, mit dunkelblauer Fleecejacke und Baseballkappe auf den Locken, die vorne schon grau wurden. Sie hatte mit zwei Schäferhunden am Tor gestanden, als Merrily kam; jetzt waren sie in der Küche, klappernde Tassen, gerösteter Toast.
«Sie haben Paul verpasst, er bringt die Kinder zur Schule, und dann hat er einen Termin im Krankenhaus, von dem er immer schlechte Laune bekommt. Er misstraut den Medikamenten, glaubt, dass Ihre Freundin Mrs. Morningwood ihm mehr Gutes tut.»
«Mit Reflexzonenmassage?»
«Hat er jetzt einmal die Woche. Ist wahrscheinlich ganz gut, dass er nicht hier ist – wenn man mit ihm über die Gwilyms redet, braucht er den ganzen Tag, um sich wieder zu beruhigen. Dabei ist es nicht mal seine Familie.»
Das Bauernhaus war aus rotem Backstein mit Rauputzsockel und hatte im Erdgeschoss Erkerfenster. Es war funktional gebaut, vorne gab es zwei Scheunen, ein Name war nirgends zu sehen. Der Küchentisch war aus Kiefernholz, der Kaffee so bitter wie Roxanne.
«Sie wissen, dass er 2001 die Maul- und Klauenseuche ins Dorf eingeschleppt hat, oder? Damit konnte er all seine Tiere loswerden und die Entschädigung einstreichen. Gut, das haben eine Menge skrupellose Bauern getan, aber nicht so offensichtlich. Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, er
wollte
es, er hat der Seuche praktisch
Tür und Tor geöffnet
.»
«Sie meinen, Sycharth Gwilym hat seinen Hof absichtlich infiziert?»
«Ja, aber beweisen Sie das mal. Also, wir haben es versucht, wir haben es der Presse gesagt, aber die Presse wollte es nicht benutzen. Er ist jetzt ein großer Mann, Sycharth, der König von Hereford. Das meiste von seinem Geld steckt in Grundstücken, und er wollte sein Vieh loswerden, also hat er die Gelegenheit ergriffen und auf den Rest von uns geschissen. Wir hatten eine schöne Herde Hereford-Rinder, die von den Mistkerlen vom Landwirtschaftsministerium an einem einzigen Nachmittag gekeult wurde. Paul hat geweint. Er stand einfach da und hat geweint. Diese Befriedigung hab ich ihnen nicht gegönnt. Ich bin eine Newton, ich weiß, was die Gwilyms sind. Abschaum sind die.»
Roxanne stellte ihren Kaffee auf den Tisch und zog sich die Baseballkappe vom Kopf.
«Adam hat uns gesagt, was Sie machen. Ich komme, keine Angst. Und es
sollte
auch ich sein. Ich bin die Newton, und Paul muss das nicht durchmachen.»
«Es ist eigentlich nicht als Martyrium gedacht.» Merrily strich Honig auf eine halbe Scheibe Toast. «Die meisten Leute sagen danach, dass sie sich viel besser fühlen. Manche Leute sagen sogar …»
Sie mochte den Gedanken an Heilung nicht ansprechen. Es war eine gelegentlich auftretende Nebenwirkung einer spirituellen Reinigung, die nicht notwendigerweise auf die Bewohner des betroffenen Hauses beschränkt blieb. Aber … in diesem Haushalt gab es schon zu viele enttäuschte Hoffnungen, das war deutlich zu spüren.
«Tut mir leid», sagte Roxanne. «Ich meinte nicht
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