Das Gespinst des Bösen
», sagte Merrily.
Als sie dieses Mal angerufen hatte, sagte die Empfangsdame, Mr. Gwilym freue sich darauf, um halb drei mit ihr zu sprechen. Als sie fünf Minuten zu früh hereinkam – in ihrem besten schwarzen Mantel –, wartete er schon am Rand eines kreisförmigen Bodenmosaiks zwischen zwei kleinen Springbrunnen, deren Wasser in bidetartige Becken plätscherte. Sein Handschlag war sanft und weich, wie Wildleder.
«Mrs. Watkins.»
«Nett, dass Sie die Zeit erübrigen können.»
«Wie könnte ich das nicht tun? Das ist alles so faszinierend. Mein Büro ist direkt hier. Darf ich Ihnen etwas kommen lassen? Kaffee … Wein?»
«Ich habe gerade zu Mittag gegessen, danke, Mr. Gwilym.»
«Hier?»
«Zu Hause. Ein Sandwich.»
«Wie nachlässig von mir, Ihnen kein ordentliches Mittagessen angeboten zu haben. Ich muss mich entschuldigen.» Er drückte mit der Schulter eine mattweiße Tür in einer Nische auf. «Aber es war in letzter Zeit äußerst hektisch.»
«Ich hätte ohnehin keine Zeit gehabt», sagte Merrily. «Trotzdem danke.»
Aus irgendeinem Grund hatte sie jemanden erwartet, den man leicht provozieren konnte, sodass er zu viel erzählte. Aber Sycharth Gwilym wirkte locker und entspannt. Und wenn man in seine hellen, ruhigen Augen sah, war da von Fuchsia Mary Linden nichts zu sehen.
Merrilys Zuversicht schwand. Das würde dauern – und es wären vielleicht Fähigkeiten vonnöten, über die sie nicht verfügte.
Mr. Gwilym wartete, bis Merrily sich setzte, und ging dann erst hinter seinen Schreibtisch. Das Büro hatte ein Panoramafenster, durch das man über den Parkplatz und die Stadt hinweg bis zur Kathedrale und dem Fluss sehen konnte. Weiße Wände und ein weißer Schreibtisch mit Glasplatte, zwei Drehstühle, bezogen mit grauem Leder, ein kleiner Konferenztisch.
«Also …» Er setzte sich und lehnte sich gelassen zurück. «Sie wollten mich nach dem Meisterhaus fragen.»
Hinter seinem Kopf hing ein großer, gerahmter Druck: der Stich eines Mannes, der eine Robe trug und einen gegabelten Bart hatte. Er saß auf einem überdachten Thron und hielt ein Zepter.
«Ist Ihnen bewusst», sagte Sycharth Gwilym, «dass das Haus seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr im Besitz meiner Familie ist?»
«Das weiß ich. Aber es scheint davor mehrere Jahrhunderte lang von Gwilyms bewohnt worden zu sein.»
«Ich weiß nicht, ob das für die Gwilyms
als solche
gilt, aber für zahlreiche meiner Vorfahren, ja.»
Merrily wollte mit dem Routinekram anfangen und holte Block und Stift hervor.
«Wissen Sie, wie lange genau die Familie dort lebte?»
«Ich weiß nicht, wann sie
nicht
dort lebte. Die Aufzeichnungen gehen nur bis ins fünfzehnte Jahrhundert zurück.»
«Das muss die Zeit von Owain Glyndwrs Aufstand gewesen sein.»
«Genau. Mrs. Watkins, darf ich … nach dem Grund des Ganzen fragen? Was ich über Ihre Aufgaben in Garway gehört habe, ist vielleicht reißerischer als die Wahrheit.»
Merrily erzählte ihm, warum der verstorbene Felix Barlow es abgelehnt hatte, im Meisterhaus zu arbeiten, und was mit Felix und Fuchsia passiert war.
«Oh. Also
nicht
reißerischer als die Wahrheit.»
Er lächelte nicht. Es gab bei Befragungen dieser Art immer einen Punkt, an dem man sich ziemlich idiotisch vorkam und dachte,
Was
mache
ich eigentlich hier
?
«Mr. Gwilym, mir ist sehr bewusst, dass wir in einem säkularen Zeitalter leben und die meisten Leute mich für eine Art Anachronismus halten, aber …»
Er sagte nichts. Warum auch? Soll sie sich winden.
«… Ich kann nur sagen, dass ich manchmal in der Lage war, Menschen zu helfen, sodass sie sich in einer Situation oder in einem Haus wohler gefühlt haben.»
Sycharth Gwilym schlug die Beine übereinander.
«Und wem würden Sie in diesem speziellen Fall helfen, Mrs. Watkins? Dem Prinzen von Wales?»
«Nun, ich glaube, zu diesem Zeitpunkt weiß noch niemand, wer einmal im Meisterhaus einziehen wird. Wir möchten nur, dass niemand von dem belästigt wird, was dort möglicherweise noch geblieben ist von denen, die vorher dort waren. Oder dem, was sie getan haben.»
«Geister?»
«Wenn Sie so wollen.»
«Womit Sie die Geister der Toten meinen?»
«Oder Erinnerungen. Schuld.»
Sycharth Gwilym nickte geduldig.
«Ich weiß zu schätzen, Mrs. Watkins, dass Sie Ihre Schritte vorsichtig zu setzen wissen, und ich werde versuchen, Ihnen behilflich zu sein, wo ich kann.»
«Danke.»
Er machte eine ausladende Handbewegung, mit der er ihr
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