Das Gespinst des Bösen
ich mochte das Haus
wirklich
nicht, und noch weniger, nachdem Mary verschwunden war. Was immer Sie vorschlagen, was dort unternommen werden sollte, das Haus braucht es. Was
werden
Sie tun?»
«Ich dachte an eine Art Seelenmesse.»
«Eine Messe?»
«Einen Gottesdienst für die Ruhe der Toten. Ich dachte dabei ursprünglich an Felix und Fuchsia, aber nach allem, was Sie gesagt haben, könnten wir es auch etwas umfassender halten. Mrs. Morningwood … danke für alles, was Sie getan haben. Ich fühle mich wirklich besser. Wenn auch etwas müde.»
Genauer gesagt: Ohne die Fußreflexzonenmassage wäre sie inzwischen höchstwahrscheinlich auf dem Nachhauseweg, im Schneckentempo, und würde ein Aspirin nach dem anderen einwerfen.
«Das ist normal, das ist gut. Sie müssen in ein paar Tagen noch mal kommen, um das zu wiederholen … und natürlich, um mir zu sagen, was Sie herausgefunden haben. Diese Seelenmesse – es geht dabei darum, das in den Griff zu bekommen, was man vielleicht böse Rückstände nennen könnte?»
«Böse Rückstände?»
«Diese Vorwürfe, die den Tempelrittern gemacht wurden … Gotteslästerung und Götzendienst – wo Rauch ist, ist auch Feuer. Hier kommen jedes Jahr ein paar Leute her, stöbern herum, messen die Kirche aus. Manche davon sind Freimaurer, die sich für die Erben der Tempelritter halten. Ziemliche Idioten, manchmal. Denken Sie darüber nach, was Mary im Schlaf verfolgt haben könnte. Was die ihr angetan haben. Was diesen Schatten über sie geworfen hat, egal, wo sie hinging.»
«Na ja …» Merrily nahm ihre Tasche. «Eine Seelenmesse kann sehr große Macht entfalten. Ich muss darüber nachdenken.»
Sie gingen aus dem Haus, Roscoe zwischen ihnen, auf das graue Feld, dem der schwarze Wald gegenüberlag.
«Wie sind Ihre Nachbarn?»
«Die schlimmste Sorte.» Mrs. Morningwood schnaubte. «Das sind alles Ferienhäuser. Garway war mal ziemlich abgeschieden, aber jetzt ist es hier wie überall – die Jugend von hier kann keine Häuser mehr kaufen, weil sie von Londoner Anwälten und Börsenmaklern und Nachwuchsministern überboten wird, die sich ungefähr drei Wochen im Jahr hier aufhalten.»
Merrily sah sich um.
«Ich finde mich hier nicht zurecht. Wo ist die Kirche?»
«Die Kirche –
diese
Kirche – ist immer näher, als Sie denken», sagte Mrs. Morningwood. «Passen Sie auf sich auf, Mrs. Watkins.»
32 Hysterischer Rausch
«… dass Sie gekommen sind.»
Eine Frau.
«Sehr gern, dafür bin ich ja da.»
«Sehen Sie, es ist eine schwierige –»
«Und lassen Sie mich noch sagen: Auch wenn ich nur ein paar Tage hier bin und Sie mich überhaupt nicht kennen, können Sie mir bedenkenlos alles sagen, was Sie Merrily gesagt hätten.»
Bedenkenlos
, dachte Jane.
Ist klar.
«Aber Mrs. Clarke, es
geht
ja gerade um Merrily, verstehen Sie?»
Jane stand auf, mit dem Rücken an der Holzwand.
«Vielleicht setzen wir uns besser», sagte Siân bestimmt, und Jane setzte sich auch, ehe ihr wieder bewusst wurde, dass sie gar nicht zu sehen war.
«Ich habe mich damit wirklich gequält», sagte die Frau ernst. «Als ich dann gehört habe, dass eine höhergestellte Pfarrerin für ein paar Tage einspringt, wusste ich, was ich zu tun habe. Ich habe mir gesagt, eine bessere Gelegenheit bekommst du nicht. Um ehrlich zu sein, dachte ich sogar … na ja, ich dachte, es ist ein Zeichen Gottes.»
«Verstehe», sagte Siân.
Aber sicher. Als würde
sie
an Zeichen Gottes glauben. Jane ballte die Hände in den Taschen ihres Parkas und hörte diesem sinnlosen Strom von unhaltbarem Blödsinn zu. Keine Subtilität, keine Hemmungen, keine … nicht mal das kleinste bisschen Intelligenz.
«Ich weiß, dass die Leute schon ihre Zweifel hatten, als sie die Anzahl der Lieder in der Morgenandacht von drei auf zwei reduziert hat. Lieder sind doch Tradition, nicht wahr? Loblieder, die wir alle kennen. Und in der Kirche, in die ich vorher gegangen bin, gab es
immer
eine Abendandacht.»
«Nun», sagte Siân, «ich fürchte, inzwischen müssen ziemlich viele Gemeinden ohne Abendandacht auskommen, vor allem wegen schrumpfender Gemeinden, und besonders im Winter. Viele Leute bleiben lieber zu Hause im Warmen, und natürlich fühlen sich vor allem die Älteren mancherorts nicht mehr sicher, wenn sie in der Dunkelheit rausgehen.»
«Aber stattdessen dieser sogenannte Meditationsgottesdienst?»
«Der scheint allgemein recht beliebt zu sein.»
«Aber er ist nicht
christlich
, oder? Das ist
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