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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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vermissen. Obwohl er den Kopf zurücklegen und hochschauen musste, wähnte er sich gegenüber Judith offensichtlich nicht in der Rolle des Kleineren, Machtloseren.
    »Es tut mir leid, meine Königin«, gab er zurück, und aus seiner Stimme klang tiefe Genugtuung. »Aber ich denke, dass es besser für Euch ist, wenn Ihr hier in sicherer Obhut bleibt.«
    Judith ließ die Zügel fallen und blickte sich nach dem Stallknecht um, der ihr zuvor beim Aufsteigen geholfen hatte.
    »Wenn Ihr es sagt, Bischof Hinkmar von Reims«, willigte sie ohne Aufbegehren ein. Balduin war sich sicher, dass ihr Blick ebenso erloschen war wie ihre Stimme.
     
    Schweigend stieg Judith vom Pferd. Balduin hatte ihr die Hand gereicht, um ihr herunterzuhelfen, doch sie schlug sie aus, nutzte lediglich den kleinen Holzschemel, den ein Stallknecht eilig herbeigeschafft hatte. Balduin war sich nicht sicher, warum sie ihn wie einen Fremden behandelte und durch ihn hindurchblickte, als wäre er ein Dienstbote. Weil sie nach dem vereitelten Fluchtversuch zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt war? Oder weil sie in Anwesenheit des Bischofs keinerlei Nähe zu ihm bekunden wollte?
    Balduin ging darauf ein. Anstatt ihr in den Palast zu folgen, sprang er vermeintlich sorglos wieder auf sein Pferd und verkündete für alle hörbar, dass er nun eben allein zur Jagd reite. Judith achtete immer noch nicht auf ihn, nur des Bischofs kleine wache Augen – viel flinker als der ansonsten steife Leib – schienen ihn argwöhnisch zu durchdringen.
    »Unser König, dein guter Vater, lässt dir sagen, liebste Judith, dass er in drei Tagen hier eintreffen wird«, hörte Balduin Hinkmar sagen, ohne dass dessen Blick ihn losließ. »Er hat einige … Pläne mit dir zu besprechen, Judith. Und er freut sich gewiss, seine Tochter wohlbehalten anzutreffen.«
    Balduin verzog seine Miene nicht, sondern wendete vermeintlich gelangweilt sein Pferd. Offenbar hatte er richtig gehandelt, denn die Neugierde des Bischofs an ihm schwand augenblicklich. Als Balduin sich ein letztes Mal umdrehte, nachdem er quer durch den Hof geritten war, hatte jener ihm längst den Rücken zugewandt.
    Ein Zittern überlief Balduin. Das also war Hinkmar von Reims, der sicherlich mächtigste Bischof des Landes. Manche meinten sogar, er sei mächtiger als der König selbst. Als vor einigenJahren einige Adelige Neustriens mit König Ludwig von Ostfranken, den man Ludovicus Germanicus nannte, gemeinsame Sache gemacht hatten und Karls Krone bedroht war wie nie zuvor – schon war der verhasste Bruder eingedrungen, schon residierte er in Attigny und stand kurz vor Orléans –, da war es Hinkmar gewesen, der sämtliche Fäden zog. Er sammelte die Kirche und die Großen des westfränkischen Reiches hinter sich und hielt ihnen vor Augen, dass sie auf ewig sämtliche Eigenständigkeit verlören, wenn sie sich jetzt Ludovicus beugen und Karl verraten würden. Der König hatte sein Reich behalten, und Hinkmar war seither dessen engster Vertrauter.
    Warum schickt er ausgerechnet ihn hierher?, ging es Balduin durch den Kopf. Gewiss geschieht das nicht grundlos … Es hat mit Ludwigs Revolte zu tun … Er hält Judith für dessen Verbündete, so wie sie es vorausgesagt hat …
    »Verdammt!«, knurrte Balduin. Es war müßig, darüber nachzudenken, warum der König Hinkmar nach Senlis sandte. Fest stand, dass Judith nicht würde fliehen können, zumindest nicht so, wie sie es sich gedacht hatten.
    Stundenlang ritt Balduin, ohne zu jagen. Äste schlugen ihm ins Gesicht, der Tau, der sich auf den Blättern gesammelt hatte, tropfte auf seinen Hals. Seine Stimmung wurde düster wie der Abend, aber er fror erst, als er wieder nach Senlis zurückkehrte. Er hoffte, er könne Judith sprechen, mit ihr bereden, wohin er ihre Truhen bringen solle; niemand durfte sie entdecken. Doch sämtliche überlegungen, wie er die Königin von Hinkmars flinken Augen unbemerkt treffen könnte, wurden nichtig, als ihm in der Küche, wo er sich nach dem langen Ritt stärkte, die kleine Adelheid scheu eine Nachricht in die Hand drückte.
    »Ihr könnt doch lesen?«, fragte sie ängstlich und wagte nicht, ihm ins Gesicht zu sehen.
    »Ja«, erklärte er und griff rasch nach der Rolle. Argwöhnisch blickte er um sich, wollte sehen, ob jemand ihn beobachtete. Doch die Köche und Mägde waren zu sehr damit beschäftigt, das Mahl zu bereiten. Auch Johanna, die er eigentlich hier erwartethatte, blieb verschwunden – Gott sei’s gedankt. Nichts konnte

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