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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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warum«, sagte Madalgis.
    Sie war die Einzige unter Judiths Damen gewesen, die sich bisher nicht am Geschwätz beteiligt hatte. »Hast du etwa dem Bischof heute Morgen gesagt, dass die Königin unauffindbar ist?«, fragte Johanna misstrauisch.
    Madalgis schüttelte entschieden den Kopf. »Ich denke, die dumme Joveta war’s. Wenn ich es gewollt hätte, ich hätte schon viel früher eingreifen können. Ich habe Balduin gestern Nacht aus Judiths Gemach kommen sehen.«
    Johanna rieb sich den schmerzenden Nacken. »Was für eine Dummheit!«, stieß sie hervor. »Was für eine Dummheit.«
    »Er wird dafür bezahlen«, bemerkte Madalgis schlicht.
    »Was sagst du da?«, entfuhr es Johanna verwirrt. »Du hast ihn geschützt, hast ihn nicht verraten – und wünschst ihm nun doch Schlechtes?«
    Aber Madalgis antwortete nicht mehr. Schulterzuckend drehte sie sich um. Der letzte Blick, den sie auf Johanna warf, war noch katzenäugiger als sonst.

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XIX. Kapitel
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    Sie erreichten Laon an einem diesigen Frühlingstag. Unten auf der Erde stand der Wind still. Doch droben am Himmel wurden die Wolken so wirr durcheinandergescheucht, als wären sie die Schatten des unruhigen Treibens auf der hiesigen Welt, wo die wenigsten Menschen ihren festen Stand finden, die meisten hingegen wild hin und her geschoben werden. Die Felder, an denen sie vorbeigekommen waren, waren noch trunken vom Winterschlaf; Mutter Erde blickte durch verquollene Augen.
    Selten war Balduin so erleichtert gewesen, in seine Heimat zurückzukehren. Das Gefühl, ständig einen Feind auf den Fersen zu haben, hatte ihn ebenso zermürbt wie die Angst, Judith zu überfordern. Klaglos hatte sie sich dem Fußmarsch gefügt, nachdem sie nun kein Pferd mehr hatten, und sich auch an den Männerkleidern nicht gestört. Doch er merkte an ihrem angestrengten Gesicht, dass ihre Kräfte zur Neige gingen.
    Gottlob hatte sie zuletzt ein fahrender Händler auf seinem Wagen mitgenommen. Nach einer ersten Nacht im Wald waren sie zunächst zurück zur Straße gegangen und dieser gefolgt. Am dritten Tag waren sie schließlich Emme begegnet: ein geldgieriger Mann, der sich von Balduin mit fünf Denaren bezahlen ließ und dafür auf jedwede Frage verzichtete.
    Emmes Gäule waren so alt, dass sie den Wagen kaum zu ziehen vermochten, und nach jeder noch so kleinen Etappe mussten sie rasten, weil die Tiere Schaum vor dem Mund hatten. Außerdem rumpelte das Gefährt so stark, dass sie hin und her geschüttelt wurden. Nicht selten rollte eins der Weinfässer, das Emme mitsich führte, auf sie. Dennoch entspannte sich Judith sichtlich und bekräftigte ihren Vorschlag, der ihn zu sehr aufgewühlt hatte, als dass er darauf eingegangen war.
    »Du musst mich heiraten«, sagte sie entschlossen. »Mein Vater … mein Vater kann dich nicht töten und foltern, wenn du sein Schwiegersohn bist!«
    Balduin kniff die Augen zusammen. »Bist du sicher?«, fragte er – nicht nur daran zweifelnd, sondern auch an ihrem Vorschlag. Gewiss waren es Angst und Erschöpfung, die ihn ihr abrangen. Wenn sie erst einmal in Laon waren, sie dort die Männerkleidung ablegen und sich ausruhen konnte, wäre Zeit genug, die Zukunft zu überdenken. Auch er selbst könnte sich dann besprechen – mit Gerold oder Graf Robert.
    Ja, in Laon würde alles einfacher sein. Als sie nach fünftägiger Flucht schließlich die Stadt von weitem erblickten, hielt er es nicht aus, noch länger in dem ruckenden Gefährt zu verharren. »Komm, lass uns gehen!«, forderte er Judith auf, nahm sie an der Hand und zog sie heraus. Erst nach einer Strecke des Weges gewahrte er, dass er sie immer noch festhielt, und löste beschämt seine Hand von der ihren. Sie sträubte sich weder dagegen, dass er sie losließ, noch hatte sie sich gewehrt, als er ihre Hand ergriffen hatte.
    Schweigend stiegen sie den Hügel hinauf, auf dem die Stadt errichtet war. Erst als er den Weg durch das Tor der großen Mauer nehmen wollte, schien Judith zu zögern. »Man kennt dich hier … was, wenn …«
    »Graf Robert ist wie ein Vater zu mir!«, rief Balduin entschieden aus.
    Judith folgte ihm widerwillig, beruhigte sich aber, als sie gewahrte, dass niemand sie zu beachten schien: weder die Kranken und Alten rund um das Marienkloster noch die Handwerker und Bauern, die ihrer Arbeit nachgingen.
    Ihr Unbehagen wuchs erst, als sie die Pfalz des Grafen erreichten und die Menschen hier ebenso wenig hochsahen, gleichwohl Balduin ein vertrautes Gesicht für sie alle war und

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