Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
mehr Holz in die Feuerstelle warf und dort einen würzig duftenden Eintopf aufsetzte, sondern ihnen obendrein anbot, dass sie die Schlafstatt ganz für sich allein nutzen konnten. Dieses Haus sei zwar ihres, doch seit sie Witwe sei, scheue sie es, dort zu schlafen, und schlüpfe gerne bei ihrer Schwester im Nachbarhaus unter. So hätten sie obendrein alle Ruhe von ihrem Schnarchen und … sie sprach nicht fort, aber lächelte vielsagend.
    Nie waren sie als Eheleute in einem Raum allein gewesen; auch jetzt drängte sich augenblicklich alles in ihm, sich nach draußen zurückzuziehen, wenngleich ihn schon bei dem Gedanken, im Freien zu schlafen, erbärmlich fror.
    »Bleib!«, forderte Judith jedoch. »Du hast noch nichts gegessen.«
    Sie nahm hölzerne Schüsseln von den Haken an der Wand und schöpfte Eintopf hinein, als wäre sie dergleichen Arbeit gewohnt. Auch an der ärmlichkeit der Hütte nahm sie keinen Anstoß; immerhin schien die Witwe reinlich zu sein.
    Balduin nahm hastig einen Bissen von dem Eintopf, der nach Petersilie, Bohnenkraut und Kohlrabi schmeckte, und verbrannte sich sogleich die Zunge.
    »Du … du musst nicht gehen«, sagte sie. Sie selbst hatte noch keinen Bissen genommen, obgleich auch ihr Magen knurren musste. Der Feuerschein fiel in ihr Gesicht und ließ die ansonsten so bleiche Haut in einem warmen Braunton glänzen – jene Haut, die er schon einmal berührt hatte, damals, als ihn ein plötzliches Begehren überkommen, als er vermeint hatte, er müsse sterben, könne er sie nicht berühren. Jetzt ängstigte er sich bei dem Gedanken, sie anzufassen. Hastig nahm er einen zweiten Bissen, der nicht mehr so heiß war wie der erste. Seine Zunge fühlte sich taub und geschwollen an, er schmeckte nichts.
    »Was meinst du?«, fragte er und starrte in die Schüssel.
    Langsam begann auch sie zu essen.
    »Du musst nicht nach draußen gehen«, meinte sie, um dann bestimmt hinzuzusetzen: »Du schläfst hier.«
    »Judith …«
    Er war sich nicht gewiss, was sie ihm anbot – eine warme Nacht oder ihren Leib. Doch sie ließ ihn nicht lange im Unklaren darüber.
    »Ich weiß, es ist nur eine ärmliche Hütte. Du denkst, es ist kein rechter Ort für eine Hochzeitsnacht. Aber glaub mir, ich habe zwei Hochzeitsnächte in prächtigen Betten erlebt; als ich Ethelwulfs Frau wurde, hat mein Vater mich ins Brautgemach begleitet. Eigentlich sollte das der Vater des Bräutigams tun, doch der war schließlich lange tot. Und ein Priester … Ich erinnere mich, dass ein Priester dabei war. Er hat unser Lager gesegnet, damit unsere Ehe fruchtbar wäre und unser Zusammenliegen frei von Sünde …«
    Sie sprach sehr schnell, er war nicht sicher, ob sie ihm damit die Verlegenheit nehmen oder ihre eigene verbergen wollte. Danach schwieg sie, aß weiter, und er tat es ihr gleich, langsamer jetzt, weil er Angst vor dem Augenblick hatte, da die Schüsseln leer sein würden. Einige Male blickte er verstohlen auf, nicht, um sie zu mustern, sondern um die Hütte in Augenschein zu nehmen. Sie bestand aus einem einzigen langgezogenen Raum, an dessen Ende sich etwas erhoben die Schlafstatt befand. Gleich, was sie sagte, dies war ein unwürdiger Ort für eine Königin … Und er selbst war womöglich auch unwürdig. Vielleicht hatten sie alle Recht, der König, der Bischof von Reims, Hinkmar von Laon, auch Graf Robert, gleichwohl Letzterer nicht bei seiner abweisenden Haltung geblieben war. Vielleicht stand einem Vasallen wie ihm eine Königin nicht zu. Es war Sünde, sie würden exkommuniziert werden, ihre Ehe war nicht gültig … Nun, nach Ansicht der Geistlichen war es auch eine Sünde, was er mit all den anderen Frauen getrieben hatte, mit Madalgis, mit Joveta, den vielen Namenlosen, doch das hatte ihn nie davon abgehalten, ihre Leiber zu nehmen. Er hatte gegrinst, wenn Bruder Ambrosius ihm das Höllenfeuer angedroht hatte. Das Höllenfeuer fürchtete er auch jetzt nicht, aber dafür Judith … und mehr noch sein eigenes Begehren. Was, wenn es ihn einfach mitriss, er jegliehe Beherrschung verlor? Was, wenn sie ihn danach verachten würde?
    Derart in Gedanken versunken, hatte er nicht bemerkt, dass sie ihr Mahl beendet hatte, aufgestanden und langsam zur Bettstatt getreten war. Sie legte ihren Umhang ab, das Tuch, das ihren Kopf bedeckte, und setzte sich. Sie überkreuzte ihre Beine, stützte sich mit ihren Händen ab und wartete auf ihn.
    Schweiß schoss ihm ins Gesicht. Er konnte sich nicht erinnern, jemals um eine Frau geworben

Weitere Kostenlose Bücher