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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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zu haben. Immer waren sie irgendwie … da gewesen, hatten den ersten Schritt gemacht. Er hatte sie einfach machen lassen, hatte nur nach den Brüsten greifen müssen, die sie ihm schon entgegenreckten.
    Zögernd stand er auf, machte die kleinsten Schritte, derer er fähig war, und blieb schließlich vor ihr stehen. Langsam ging er in die Hocke. Vor keiner Schlacht hatte er sich je so verloren gefühlt, alleingelassen von aller Welt. Sie war da, aber sie half ihm nicht, saß regungslos, so wie er einst dagelegen hatte, als Madalgis zu ihm kam, sich einfach auf ihn setzte, ihm Wein einträufelte.
    Wein würde alles leichter machen, aber Wein gab es hier nicht.
    Vorsichtig hob er die Hand, streifte nicht ihr Gesicht, obwohl er das eigentlich wollte, sondern ihren Hals. Kurz fühlte er ihren Puls, kräftig und schnell, dann zuckte er schon wieder zurück. Als er das zweite Mal seine Hand hob, streichelte er nur über ihre Schultern; sie fühlten sich knochig an, und wieder zuckte er alsbald zurück. Mühsam entledigte er sich seines Mantels. Er fingerte an seiner Fibel herum, als wäre er zu trunken, um sie zu öffnen. Bei alldem hielt er die Augen zusammengepresst, öffnete sie erst wieder, als sein Mantel zu Boden gefallen war. Da erst bemerkte er, dass sie nicht länger saß, sondern nach hinten gesunken war, sich ihm darbot, immer noch ohne jeglichen Widerstand, immer noch ohne jegliches Entgegenkommen.
    Er schluckte rau, seine Zunge fühlte sich so taub an wie zuvor, als er sich am Eintopf verbrannt hatte. Sacht ließ er sich neben sie sinken, hielt etwas Abstand, sodass sich ihre Leiber nicht berührten. Diesmal wagte er es, über ihre Wangen zu streicheln;sie fühlten sich anders an als damals, wärmer und weicher. Als er die Hand zurückzog, bog er seinen Kopf nach vorne, hauchte einen Kuss auf jene Stelle, die er eben noch befingert hatte, schmeckte … ja, schmeckte eigentlich nichts.
    Sein Blick traf ihre Augen. Es war zu dunkel, um das Blau zu erkennen, zu dunkel, um ihre Miene zu deuten. Er vermeinte es dennoch zu spüren, ihre Starre, ihre Kälte, ihre Ablehnung.
    Er sprang viel schneller auf, als er sich niedergelegt hatte, war wieder auf den Beinen, noch ehe er wusste, was er tat, und lief wie ein gefangenes Tier im Kreis herum.
    »Nein«, stieß er aus, »nein, ich kann das nicht.«
    Er fühlte sich lächerlich, beschämt, aber all das war ihm lieber – lieber, als sich von ihr anblicken zu lassen. Er bückte sich, um nach dem Mantel zu greifen, warf ihn über und durchquerte den langgestreckten Raum, um das Haus zu verlassen. Da folgte sie ihm, er konnte ihre Schritte hören, obwohl sie leise waren. Sie ging schneller als er, erreichte ihn, noch ehe er an der Feuerstelle vorbeigekommen war. Er fühlte, wie sie seine Schultern packte, wie sie ihn von hinten umarmte, ihr Kinn auf seinen Rücken presste, ebenso zärtlich wie unerträglich, berauschend und qualvoll. Er drehte sich um; heiß stieg ihm die Gier ins Gesicht, jene Gier, die er eben noch mit aller Macht gedrosselt hatte, doch sie kam nicht allein, sondern begleitet von Zorn.
    »Warum kannst du nie aufgeben?«, schrie er ungehalten. »Warum gibst du sie einfach nicht auf?«
    »Was?« Nun war ihr Blick nicht mehr kalt, sondern verwirrt.
    »Deine Macht! Immer mimst du die Beherrschte, immer willst du es sein, die lenkt. Selbst in ausweglosen Situationen, selbst wenn du ohnmächtig scheinst – so suchst du dennoch Mittel und Wege, alles selbst zu bestimmen. Du lieferst mir deinen Körper aus, doch du schenkst ihn mir nicht. Du hast dir vielmehr überlegt, dass es nun anstehe, unsere Ehe zu vollziehen, ja notwendig sei, auf dass ich nicht bereue, was ich für dich getan habe, und dir weiterhin ein treuer Helfer bleibe. Du tust es nicht wirklich für mich, sondern weil es dir nützlich scheint.«
    Sie verzog missbilligend ihre Lippen. »Stört dich meine Willfährigkeit?«, kam es beißend. »Möchtest du mich lieber mit Gewalt nehmen, du wilder Krieger?«
    »Nicht so!«, gab er barsch zurück, und zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich nicht von Scheu gefangen. »Komm mir nicht so! Du erträgst es doch nur nicht, dass ich dich in gleicher Weise durchschauen könnte wie du mich … Gesetzt, ich würde dich mit Gewalt nehmen wollen, so würdest du wahrscheinlich diejenige spielen, die sich verzweifelt wehrt, auf dass es mir gefiele … was wiederum lohnenswert für dich ist. Denn in diesen Tagen brauchst du mich, bist auf mich angewiesen und

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