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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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musst zusehen, dass du mich halbwegs zufrieden stimmst, nicht wahr?«
    »Damals, in meiner ersten Hochzeitsnacht, hab ich es nicht gespielt! Mein Heulen war echt und mein Schmerz ebenso.«
    »Und wo ist die Judith von damals geblieben? Gibt es heute noch Augenblicke, da du nicht denkst, sondern nur fühlst? Da du nichts mehr tun, nichts mehr bestimmen, nichts mehr lenken kannst, sondern einfach mitgerissen wirst?«
    Er gewahrte nicht mehr, ob sie antwortete, denn er selbst hörte zu denken auf. Die Hitze, die ihm zuvor in den Kopf gestiegen war, begann zu rauschen und machte – vereint mit seinem Zorn – alles ganz einfach. Besinnungslos packte er sie, trieb sie zu einer der dünnen Wände. Er fühlte, wie der kühle Wind von draußen durch die Ritzen wehte, doch die Kälte konnte ihm nichts anhaben. Dann hatte er schon ihre Untertunika gehoben, seine Hosen geöffnet, drang in sie ein und füllte ihren Leib mit knappen, kräftigen Stößen. Er fühlte keinen Widerstand, keinen Schmerzenslaut, nur warme, weiche Haut. Wie bereits zuvor hielt er seine Augen zusammengepresst, erst als er sich nahe dem Gipfel seiner Lust wähnte, öffnete er sie, sah in ihr Gesicht. Nicht mehr ausdruckslos schien es ihm, nicht abweisend, sondern traurig, tieftraurig und leer. Augenblicklich hörte er auf, in sie zu stoßen, wollte sich zurückziehen, fühlte nun verspätet die kalte Luft, die von draußen kam. In diesem Augenblick zuckte sein Geschlecht auf, ergoss sich, ohne dass er es aufhalten konnte. Sein Körperverkrampfte sich, ungeheuer wohlig und ungeheuer schmerzlich. Lust und Scham, Begehren und Ohnmacht, das Gefühl, sie zu beherrschen, und das Gefühl, ihr ausgeliefert zu sein, befielen ihn gleichzeitig.
    Er stöhnte auf, nicht mehr ob Begierde, sondern aus Erschöpfung. Er glitt aus ihr, sank auf seine Knie, barg seinen Kopf an ihrem Leib. Jener fühlte sich weich an, nicht sehnig und knöchrig wie zuvor ihre Schultern. Die Müdigkeit, die ihn befiel, war abgrundtief. Selbst nach der schlimmsten Schlacht hatte er sich nicht so gefühlt, übersättigt von Eindrücken und zugleich leergesaugt. Er nahm kaum wahr, wie sie nach einer Weile zögerlich die Hände hob, sie auf seinen Kopf senkte. Sie streichelten ihn nicht. Aber sie blieben auf seinem Haar ruhen.
     
    Auf dem Weg zu König Lothar, der sich an seinem Hof zu Trier aufhielt, waren sie nicht immer allein. Bei einer der Pferdewechselstationen, wo die Kuriere des Königs, des Adels und der Geistlichkeit nicht nur frische Pferde vorfanden, sondern alle übrigen Reisenden auch Futter für ihre Tiere kaufen konnten, sprach ein junger Mann sie an, ob sie einen Teil der Wegstrecke gemeinsam zurücklegen könnten. Er sei ein fahrender Handwerker und mit seiner ganzen Familie von Senlis nach Köln unterwegs, habe jedoch Angst davor, allein auf der Straße zu sein, denn sein Weib und seine Kinder würden ihm im Ernstfall nicht helfen können.
    »Man hört, dass es hier an allen Ecken und Enden Räuber gibt, da ist es doch besser, in einer Gruppe zu reisen!«, schloss er mit einem ehrfürchtigen Blick auf Balduins Waffen.
    Judith war kurz blass geworden, als der Mann erwähnte, aus Senlis zu stammen. Doch sein Anliegen war wohl ehrlich gemeint, und er sah in ihr nichts weiter als eine gewöhnliche Frau aus dem Volk. So wurden sie rasch einig, dem Mann die Bitte zu gewähren.
    »Es ist auch für uns von Vorteil«, sagte Judith leise zu Balduin. »Mein Vater wird uns gewiss immer noch suchen lassen, und zu zweit fallen wir eher auf als in Gesellschaft.«
    Sie sprach ungezwungen zu ihm, so wie die letzten beiden Tage auch, obwohl er – nach jener Nacht – stets damit rechnete, dass das scheue, unbehagliche Schweigen wieder zwischen sie treten würde. Am Morgen danach hatte er kaum gewagt, sie anzusehen, doch sie war darüber hinweggegangen und behandelte ihn, als sei nichts geschehen.
    Die Reise ging nun langsamer vonstatten, aber unterhaltsamer. Balduin sprach mit dem Handwerker über dessen Geschäft als Schuhmacher, und der erzählte ihm begeistert, welche Schuhe er am liebsten fertige: die Lederstiefel der Soldaten gehörten dazu, die bis unter das Knie reichten und mit Lederbinden zusammengehalten wurden, desgleichen die weichen, roten Schlupfschuhe mit Sohlen aus Filz, wie sie sich nur reiche Menschen leisten konnten. Er selbst und seine Familie trugen
Soccoli
– schlichte Holzsandalen, aber immerhin mit Lederriemen.
    Balduin sah, dass Judith manches Wort mit der Frau des

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