Das Geständnis der Amme
einer privaten Unterredung – wenn, ja wenn er sich dieses Entgegenkommen denn leisten könnte.
Die verkniffene Miene, in der sich Geldgier spiegelte, war Balduin unangenehm. Nicht minder verwirrt war er auch darüber, dass sich Judiths und seine Ankunft offenbar schon bis in die höchsten Kreise herumgesprochen hatte. Doch zugleich schien ihm das Angebot nicht wenig verheißungsvoll. Den Papst untervier Augen zu treffen schien ihm ratsamer als vor aller Welt. Die Frage war nur, ob es auch ratsam war, es ohne Judith zu tun. Es hatte etwas ebenso Einschüchterndes wie Verlockendes, es allein zu versuchen und nicht wie ein stummer Schatten neben einer vermeintlichen Meisterin der Diplomatie zu stehen, die ihn für einen schlichten, unerfahrenen Krieger hielt.
Die Bitterkeit, die er seit Pavia schmeckte, hatte sich verstärkt, als schließlich Johanna zu ihm getreten war, gefragt hatte, was der Mann wollte, und ihm zugeredet hatte, als er dessen Ansinnen erklärte.
»Soll ich nicht doch auf Judith warten?«, fragte er.
»Gibt es dich nicht mehr ohne sie?«, fragte Johanna zurück.
So war er hierhergekommen und erfuhr nun, dass der Papst ihn in seinem Arbeitszimmer, dem
Tablinium,
empfangen würde. »Und … ich treffe ihn wirklich allein?«, fragte Balduin; seit er hier war, war ihm mulmig zumute.
»So war es doch abgemacht«, erklärte der andere und zog ihn mit sich.
Beim Papst war es auffallend nüchtern. Entweder lag ihm nichts an Schönheit oder Pracht, oder aber beides hatte so großen Wert für ihn, dass es ihn nur unnötig von seiner Arbeit ablenken würde, wenn er sich damit umgab. Der Raum, in den der Kleriker ihn geleitete, erinnerte Balduin an die Schreibstube von Graf Robert: Ein Tisch war darin, jedoch nur aus Holz, nicht aus Marmor, desgleichen mehrere Stühle, von denen der eine, auf dem Nikolaus I. saß, immerhin bronzene Beine hatte und mit glänzendem Leder und einem weichen Kissen ausgestattet war. Es roch nach Wachs, nach Pergament, nach Tinte, die in kunstvoll geschnitzten Hörnern aufbewahrt wurde. Das Lesepult auf dem Tisch schien denn auch überzuquellen vor Schriften und Briefrollen. In welcher der Papst gerade gelesen hatte, war nicht ersichtlich; es sah vielmehr so aus, als hätte er einen wahllosen Haufen daraus geformt, den er als Grenze zwischen sich und dem jeweils Eintretenden ziehen konnte. Offenbar war Balduin nichtder erste heimliche Besuch an diesem Tag. An seiner gelangweilten Miene erahnte Balduin, dass es zur Tagesordnung gehörte, wenn Besucher abseits der offiziellen Audienzen und Empfänge von einem Vertrauten des Papstes zu ihm gebracht wurden – vorausgesetzt, dass sie dafür zahlten.
Der Priester an Balduins Seite verbeugte sich tief, trat dann aber selbstbewusst zu Nikolaus, um ihm etwas ins Ohr zu raunen, offenbar, wen er da gebracht hatte. Noch ehe der Papst mit einem Nicken reagierte, zog der Mann sich zurück und ließ die beiden allein. Balduin war nicht sicher, ob sie tatsächlich unbeobachtet waren. Trotz der Schlichtheit war auch dieser Raum mit vielerlei Vorhängen und Wandbehängen ausgestattet. Er konnte sich gut vorstellen, dass sich hinter dem ein oder anderen ein Guckloch befand, durch das der Papst belauert wurde – und sei es nur zu dessen eigenem Schutz.
Abwartend blieb Balduin zunächst stehen, fühlte sich dem Pontifex ausgeliefert, umso mehr, als Nikolaus auf die Nennung seines Namens nicht reagiert hatte und unbeirrt in seinen Schriften wühlte.
Da nichts geschah, kam Balduin in den Sinn, dass er bislang versäumt hatte, seine Ehrfurcht zu bekunden. Er sank zuerst auf die Knie, begnügte sich mit dieser Geste jedoch nicht, sondern legte sich danach flach auf den Boden, ähnlich wie es Priester taten, wenn sie ihre Weihen empfingen.
Solcherart konnte er die Reaktion des Papstes nicht sehen, doch sein Verhalten hatte die erwünschte Wirkung. Nach einer Weile klang Nikolaus’ Stimme durch den Raum, leise, aber fest genug, um zu verraten, dass sie zu befehlen gewohnt war.
»Steht auf, mein Sohn!«
Balduin gehorchte, erhob sich und musterte nun das Gesicht von Nikolaus eingehender. Schwer war es, etwas über das Alter dieses Mannes zu sagen. Der Blick schien müde, die Ringe darunter glänzten bläulich und wirkten etwas geschwollen, ansonsten aber war das Antlitz frisch und frei von Falten oder Flecken. Diese Haut hatte weder viel Sonne noch Kälte ertragen müssen,ebenso wenig wie die Hände an harte Arbeit gewohnt waren. Wie sie da
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