Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
Sitte in unserem Land.«
    »Graf Balduin …«, begann Nikolaus gedehnt, und sämtliche Anerkennung, die der andere mit seinem forschen, direkten Auftreten ihm hatte abringen können, war erloschen. »Graf Balduin, Ihr seid also mutig und offenherzig und manchmal klug. Nicht minder gut stünde Euch die Bereitschaft an, stets dazuzulernen. Sie ist die Tochter von König Karl, sie ist selbst zur Königin gekrönt worden. Ihr Wort zählt viel.«
    »Mehr als meines?«, fragte Balduin ungläubig.
    »Wie ich vorhin schon sagte«, Nikolaus’ Stimme klang angeödeter als je zuvor, »Ihr habt das Los zu erdulden, wofür Ihr Euch aus freien Stücken entschieden habt. Bringt Judith hierher!«
    Balduin fühlte sich wie ein gemaßregeltes Kind, wusste auchnicht recht, was er tun sollte, wirklich schon nachgeben, sich verbeugen, entschwinden? Aber wie konnte er sich eingestehen, dass dieses Gespräch so … missraten war – vor sich selbst und, was noch schwerer wog, vor Judith? Grauenvoll war die Vorstellung, jetzt zu ihr zu gehen und ihr auszurichten, was der Papst ihm gesagt hatte.
    Er rang mit sich und zugleich nach Worten, wie er diesen schroffen Rauswurf verzögern könnte, indes der Papst nun stur auf die Papyrusrollen blickte. Noch ehe er etwas sagen konnte, zupfte eine Hand an seinem ärmel. Er fuhr herum und sah in ein fremdes Gesicht – es war nicht das des Priesters, der ihn hierher begleitet hatte, aber das eines Mannes, der offenbar Teil des päpstlichen Hofes und darin geübt war, den Papst möglichst unauffällig von unwillkommenen Gästen zu erlösen.
    Eben war dessen Griff noch vorsichtig gewesen. Doch als Balduin nicht augenblicklich folgte, schloss sich die Hand schmerzhaft um seinen Arm. Balduin wollte sich nicht offenkundig wehren. Erst als sie den Raum verlassen hatten, riss er sich wütend los.
    »Was fällt Euch ein!«, fuhr er ihn an. »Wie könnt Ihr es wagen?«
    Der Mann musterte ihn schweigend und irgendwie verschlagen. Nach einer Weile senkte sich ein Lächeln auf sein Gesicht, das Balduin zunächst nicht zu deuten wusste. Und als er endlich gewahr wurde, dass es mit den beiden Männern zu tun hatte, die sich plötzlich von hinten näherten und ihn festhielten, war es schon zu spät.
    »Was zum …«
    Er sah die silberne Klinge eines Dolchs aufblitzen und wie sie sich bedrohlich auf seine Kehle senkte. Kurz befürchtete er, dass das geschähe, worüber er eben noch mit dem Papst geredet hatte: ein gemeiner Meuchelmord mit dessen Duldung.
    Doch die Männer hatten es nicht auf sein Leben abgesehen.
    »Ein Laut, und du stirbst!«, sagte der eine und presste die Klinge an seine Kehle, aber ritzte die Haut nicht ein.
    »Und es wäre schade, wenn du stürbest«, murmelte der andere, »wo du uns doch ein nettes Sümmchen einbringen wirst.«
     
    Dann zerrten sie ihn mit sich.
    Die Miene von Bruder Wunibald war sorgenvoll, als er vom Lateranpalast zurück zum Hospiz kam. Seit drei Tagen versuchte er nun schon, alles zu tun, um etwas über Balduins Verbleib herauszufinden, doch er war jedes Mal auf taube Ohren gestoßen.
    »Wieder nichts?«, fragte Judith, die ihm entgegengelaufen war.
    Zunächst hatte sie sich solcher Eile enthalten, wollte sich keine ernsthaften Sorgen machen. Als er am ersten Abend nicht wiederkehrte, war sie sich sicher, dass Balduin freiwillig verschwunden war, entweder aus Trotz oder aus Scham. Wahrscheinlich, so schloss sie, hatte er beim Papst nichts erreicht, hatte ihre Lage womöglich sogar verschlimmert und vermied es darum, ihr unter die Augen zu treten.
    Geschieht ihm recht, dachte sie – am ersten Tag verärgert, am zweiten Tag gekränkt, am dritten Tage ängstlich. Balduin mochte zu mancher Untat fähig sein, feige aber war er nicht. Er war als Krieger dafür gerühmt geworden, keiner Schlacht auszuweichen. Warum sollte er die Begegnung mit ihr scheuen?
    Das gab auch Wunibald zu bedenken, der seit dem Verschwinden alles daran setzte, Neuigkeiten zu erfahren. Eben trat er auf sie zu, die Stirne mehr gerunzelt als sonst, und ergriff vorsichtig ihren Arm.
    »Du … du hast doch etwas erfahren?«, fragte sie, und ihre Furcht verbarg sich nicht hinter einer Maske aus Hochmut und Gleichgültigkeit, wie sie sie gegenüber den anderen bewahrte, vor allem vor Johanna, die sich viel eher um Balduin zu ängstigen begonnen hatte als sie.
    »Ich weiß nichts Genaues«, sagte Wunibald. »Keiner wollte es mir bestätigen … aber es gibt Getuschel, dass man ihn in irgendeinem Kerker

Weitere Kostenlose Bücher