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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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altbekannten Neid zu stoßen. Bis jetzt war es ihr immer leichtgefallen, ihn an sich abprallen zu lassen, aber heute hatte sie Angst, er wäre zu viel für das überreizte Gemüt. Doch Johanna blickte nicht neidisch, nur erleichtert.
    »Das ist gut«, murmelte sie, »dass er sich dir anvertraut hat, meine ich. Dass er es nicht mit sich herumschleppt. Du musst erreichen, dass es wieder so wird zwischen euch.«
    »Es ist zu viel geschehen.«
    »Nichts, was nicht wiedergutzumachen wäre. Judith …«, sie hatte bislang fast nie ihren Namen gesagt, »Judith … Du musst dich mit Balduin aussöhnen. Ich weiß nicht, ob man es dir gesagt hat. Aber eben schwor er dem Kaiser den Eid. Er wird wieder sein Vasall. Das ist ein großes Opfer für ihn, vielleicht sogar ein zu großes, und er wird es nur ertragen können, wenn du es anerkennst.«
    Sie sprach nicht nur eindringlich, sie legte auch ganz vorsichtig ihren Arm um Judiths Schultern. Judith erstarrte, wollte ihn schonwegschütteln. Das letzte Mal, da sie Johannas Hände gefühlt hatte, waren sie ihr wie Klauen erschienen und hatten sich bedrohlich um ihren Hals gelegt. Doch dann blieb sie ruhig hocken, gewährte der anderen diese Berührung.
    »Ich wollte nie, dass er Kriege führt«, sagte sie schlicht.
    »Ich weiß«, antwortete Johanna, »ich weiß, es widert dich an. Du hast es ihm oft genug zu verstehen gegeben. Aber du brichst ihm sein Herz, wenn du ihn weiterhin dafür verachtest. Du musst ihm die Gewissheit geben, dass er sich richtig entschieden hat. Du musst ihm zeigen, dass sich sein Opfer lohnt!«
    »Du redest stets von einem Opfer! Was für ein Opfer denn? Die Normannen abzuschlachten? Soll ich ihm mein Leben lang dabei zusehen, wie er zum Töten aufbricht – und vielleicht nicht wiederkommt? Das ertrage ich nicht!«
    Johannas Griff verstärkte sich. »Er doch auch nicht. Aber du solltest nie zugeben, dass du es weißt und dass du wie er empfindest. Du musst ihm deine Dankbarkeit für seine Entscheidung zeigen, nur so kann er damit leben. Was er tut, muss sich lohnen, und der einzige Lohn, der auf Dauer für ihn zählt, ist deine Liebe.«
    Judith schwieg lange. Die Haut ihrer Wangen spannte sich unangenehm, erinnerte sie daran, dass ihre Mutter sie zum Weinen gebracht hatte. Nun waren die Tränen verkrustet.
    »Soll ich lügen?«, fragte sie schließlich leise.
    »Liebst du ihn etwa nicht?«
    Judith zuckte ihre Schultern, woraufhin Johanna ihren Arm zurückzog, langsam und ächzend aufstand.
    »Ich habe ihn erkannt«, murmelte Judith. »Und du hast Recht – in manchem ist er mir ähnlich, ist er mir ein Ebenbild. Er ist nach außen stark und im Inneren zerstört. Er weiß, was er will, und tritt dafür ein, doch ein Teil seiner Seele ist zu Asche verbrannt. Wie meine. Ja, ich glaube, ich liebe ihn.«
    »Dann solltest du lügen, was seine Zukunft als Krieger anbelangt«, riet Johanna. »Um seinet- und um deinetwillen. So wie ich es einst tat, als er ein kleines Kind war und an der Ausbildungfast zerbrochen ist. Er hat Trost bei mir gesucht – und auch gefunden. Aber danach habe ich ihn weggeschickt … zu Arbogast … später in den Krieg. Wäre ich nicht gewesen, er hätte es nicht vermocht. Vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht hätte er ein anderes Leben führen müssen. Aber dafür ist es zu spät. Und jetzt, Judith, musst du an meine Stelle treten und ihm Kraft geben, auf dass er an seinen Aufgaben nicht zugrunde geht.«
    Sie wartete, bis auch Judith sich erhob, und ging erst dann von ihr. Der Blick, mit dem sie sie zuletzt musterte, war mitleidig, als wüsste sie genau, was in ihr vorging – und als könnte sie ihr doch nicht helfen.

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XXXVIII. Kapitel
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    Als Judith eintrat, drehte sich Balduin nicht nach ihr um, sondern blieb steif stehen, als habe er sie nicht gehört. Er wirkte blasser und ausgezehrt, als ob die Begegnung mit dem König ihm nicht minder zugesetzt hätte als die lebensbedrohende Wunde. Judith ahnte, dass sie ihm Schmerzen bereitete, dass er jedoch zu stolz war, es zuzugeben.
    Auch ihr fiel es schwer, Worte zu finden, wenngleich nicht aus Stolz, sondern weil sie nicht wusste, welches von dem vielen Gerumpel, das da zwischen ihnen stand, sie zuerst wegräumen sollte. Sie wusste auch nicht, in welcher Rolle sie zu ihm trat – als Bittstellerin, weil er den Lehnseid geschworen und somit auch ihre Zukunft gesichert hatte, oder als großmütige Vergeberin, weil sein Betrug mit Madalgis nach Krankheit und Todesnähe nicht mehr

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