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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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zuginge«, fuhr sie laut fort, »und am meisten hat er sich über die Priester beklagt, die das Gegenteil behaupten würden. ›Diese Pfaffen, ha!‹, hat er geschrien. ›Die reden von Sünden, die man meiden müsse, und Höllenfeuer, das einen ansonsten erwartet – aber ihre eigenen Oberen, die Bischöfe, sind so verkommen, dass sie sich lieber dem Reiten widmen, Kriegsübungen, Speerwerfen und der Jagd, anstatt das Reich Gottes zu verkünden.‹«
    Madalgis ließ nun auch die zweite Hand los, rückte ein wenig höher, um Balduins Gesicht zu berühren. Sein Bart wuchs unregelmäßig,stand struppig und spitz weg und stach in ihre Finger. Doch die Haut seiner Stirn, seiner Nase, seiner Schläfen war weich. Sie hatte gedacht, dass es sie ekeln würde, diesen Mann zu berühren, nicht nur, weil er einem Toten glich, sondern weil er sie an das erinnerte, was vor vielen Jahren geschehen war, was eine so große Sünde war, dass man sie nicht aussprechen durfte, und was unbeschreiblich wehgetan hatte. Doch der Ekel blieb aus.
    »Mein Vater hat ständig gejammert und geklagt … nicht mehr ertragen konnte ich es am Ende, nicht mehr hören. Er ist gestorben, musst du wissen, qualvoll langsam und verbittert und weit fort von seiner Heimat. Wir mussten sie verlassen, als die Normannen kamen. Damals hat sein Hass auf die Priester begonnen. ›Wie sie prahlten, die Pfaffen!‹, hat er gesagt, ›Dass sie keine Angst hätten, sondern Zutrauen in Gott besäßen. Dass Gott nur den mit seiner Geißel strafe, der sie verdient habe, dass also keiner Angst vor den Normannen zu haben brauchte, der ohne Sünden sei … Von wegen! Unsereins haben sie verboten, rechtzeitig die Sachen zu packen, weil dies ein Eingeständnis sei, dass man Schlimmes verbrochen habe. Aber sie selbst haben, sobald die ersten Flüchtlinge eintrafen und das Rasseln der Köcher zu hören war, sämtlichen Besitz zusammengerafft und sind in den Süden geflohen. Viel schneller, als wir es konnten. Wir hatten ja keine Pferde wie … sie.‹«
    Madalgis hielt inne, um zu lauschen. Sie war sich nicht sicher, aber bei ihren letzten Worten war ihr, als würde sie ein Seufzen vernehmen, lang und tief. Balduins Augen waren auf sie gerichtet, und zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass sie sich nicht nur in deren harter Oberfläche spiegelte, sondern er sie anblickte. Beschämt ließ sie sein Gesicht los, um dann, nach einer Weile, da sich nichts tat, die Hände auf seine Brust zu legen, die mit dichten, gekräuselten Haaren bedeckt war.
    »Mein Vater sagte auch, dass die Pfaffen uns zweimal betrogen haben. Einmal, als sie unsere rechtzeitige Flucht verboten haben, und das zweite Mal, als wir hier ankamen und als Unfreie versklavt wurden. Wir hatten nichts mehr außer unserem Lebenund der Kleidung, die wir auf dem hungernden, ausgezehrten Leib trugen. Doch die Priester halfen uns nicht. ›Sie krochen in irgendwelche Klöster und ließen sich durchfüttern‹, sagte mein Vater. ›Aber unsereinem erklärten sie, dass dem menschlichen Geschlecht wegen der Ursünde die Strafe der Knechtschaft auferlegt worden sei, so dass Gott jene, für die die Freiheit nicht passt, zu Sklaven macht … Du bist auch unfrei, Madalgis. Magst du noch so hübsch und klug sein, aus dir wird nichts.‹«
    Wieder ein Seufzen – diesmal klang es wie ein ächzen. Madalgis wusste nicht, ob Balduin auf ihre Worte oder auf ihre Berührungen reagierte. Sie wusste viel zu wenig von Männern. Die Augen zu schließen, die Beine zu spreizen und ihn über sich ergehen zu lassen – ja, das wäre ihr leicht gelungen. Sie hatte gelernt, die Lust eines Mannes zu ertragen, nicht aber sie zu entfesseln. Ihre Hand rutschte tiefer, glitt zu seinem Bauch, der fest und hart war. Ihr war nur ein weicher, schwammiger vertraut.
    »Mein Vater«, murmelte sie, »mein Vater hat mir nicht geglaubt, als ich sagte, ich würde dem Elend entkommen. Er hat gelacht, und dann hat er … nun, es ist nicht wichtig, was er dann getan hat. Wichtig ist, dass ich hier bei dir bin, Balduin. Fühlst du mich? Gefalle ich dir?«
    Er war nun wieder stumm; lediglich seine Härchen verrieten, dass er nicht ganz leblos war – sie richteten sich auf, bedeckten seinen ganzen Körper mit einer Gänsehaut, vor allem dort, wo sie nun seine Kleidung öffnete, abstreifte.
    »Willst du Wein trinken?«, fragte sie.
    Ihr Vater hatte immer Wein getrunken … davor. Nie hatte er sie nüchtern bestiegen, hatte es trotz aller Auflehnung gegen die Pfaffen,

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