Das Geständnis der Amme
rief jene, die am Bettpfostenstand und sich daran schmiegte, als wäre es ein leibhaftiger Mensch. »Ansonsten würde man dich nicht ›Balduin Eisenarm‹ nennen.«
Balduin lächelte geschmeichelt. Er wusste nicht genau, wer den Namen in Umlauf gebracht hatte, und auch nicht mehr, wann das gewesen war. Doch er hatte sich innerhalb nur weniger Monate verbreitet, wurde alsbald nicht nur von seinen Gefährten gebraucht, die ihn auf den vielen Kriegszügen in das Normannengebiet begleiteten, sondern – wie man ihm zutrug – auch von König Karl, dem man von seinen Taten berichtet hatte.
Balduinus Ferreorumbrachiorum.
Gerold hat sich das ganz bestimmt nicht ausgedacht, überlegte er mit spöttischem Grinsen.
Das Verhältnis zu des Grafen Neffen war spannungsreich. Trotz Gerolds ehrlicher Erleichterung darüber, dass Balduin ihren ersten Zusammenstoß mit den Normannen überlebt hatte, mochte er seine Missgunst kaum zügeln, als Balduin im nächsten Jahr zu einem der berühmtesten Krieger der
Gallia
aufstieg. Dass Gerold der Erbe von Graf Robert sein würde, machte es ihm nicht gerade leichter zu erleben, wie sich Balduin – sobald er in Laon war – dort nicht nur vom Grafen, sondern von dessen ganzem Hof feiern ließ, am liebsten von den Frauen.
»Man sagt, du hast in der letzten Schlacht drei Männer auf einmal durchbohrt!«, rief eine eben. Er kannte ihren Namen nicht, von keiner der Anwesenden wusste er ihn, doch wenn er wieder gen Norden ritt, konnte er sich an ihre Gesichter erinnern, an die Form ihrer Brüste und Schenkel.
»Und als man dich in einen Hinterhalt lockte, hast du eine übermacht von zehn besiegt!«
»Stimmt es«, fragte die dritte, »dass du in Drachenblut gebadet hast und darum so stark bist?«
Balduin zuckte unmerklich zusammen. Wann immer von Blut geredet wurde, stiegen Bilder vor ihm auf: zuerst das seines sterbenden Vaters, wie das Blut rot aus dessen Kehle gequollen war, dann das seines Schwertes, nachdem er Audacers Tod gerächthatte. Doch schnell schüttelte er die unliebsame Erinnerung ab und nahm wieder einen kräftigen Schluck Bier.
»Es gibt ein simples Mittel, das einen Mann stark macht!«, erklärte er, um sich dann verschwörerisch vorzubeugen und mit den Frauen die Köpfe zusammenzustecken. »Man darf … man darf einfach keine Angst vor dem Tod haben!«
Die Frauen nickten wissend.
»Keiner im Frankenreich hat so viel Mut wie du, mein Herr! Einmal, so heißt es, bist du allein einem Heer entgegengeritten, als wolltest du dein Leben wegwerfen!«
Balduin grinste und grapschte nach ihren Brüsten. »Aber sie haben mich nicht kleingekriegt!«, rief er.
Leise, ganz leise war die Erinnerung an diesen Tag. Er hatte sich damals nicht sonderlich heldenhaft gefühlt. Es war ihm schlichtweg gleich gewesen, ob er starb oder lebte. Er kämpfte gegen die Normannen, aber niemals kämpfte er gegen den Tod, und vielleicht war das der Grund, warum jener zwar stets auf der Lauer lag, ihn mit seinem kalten Lächeln beobachtete, aber noch zögerte, ihn endgültig zu umarmen.
»Am gefährlichsten ist es, der Normannen Herr zu werden, wenn sie noch auf ihren Schiffen sind«, prahlte er nun vor den Mädchen. »Ich weiß nicht, wie sie es anstellen, aber ihre Schiffe haben kaum Tiefgang, sie können an jedem sandigen Flachufer ans Land gezogen werden und bleiben auch in niedrigen Flüssen nicht stecken. Und wenn man einer solchen Flotte begegnet, dann gnade einem Gott. Sie vertäuen Seite an Seite mehrere Schiffe mit drohend gerecktem Steven, quadratischen Segeln und zähnefletschenden Drachenköpfen, und sobald sie nahe genug an unsere Truppen am Flussufer herankommen, lassen sie einen Hagel von Speeren und Pfeilen niedergehen. Und dann … ihr könnt euch nicht denken, wie es klingt, wenn die Eichenkiele sich über das sandige Ufer schieben, wenn diese wildbärtigen, nach Christenblut und Beute lechzenden Normannen ans Land springen, wenn man ihnen Auge in Auge gegenübersteht.«
Sämtliche Frauen erschauderten.
»Bruder Ambrosius hat uns alle für dich zu beten gelehrt, mein Herr, und dafür, dass uns der Allmächtige von der nordischen Brut verschonen möge.
Summa pia gratia nostra conservando corpora et custodia, de gente fera Normannica nos libera, quae nostra vastat, Deus, regna.«
Unsere höchste und heiligste Gnade, die uns und das Unsere schützt, bewahre uns, Gott, vor dem wilden Geschlechte der Nordleute, das unsere Reiche verwüstet.
Balduin legte kurz die Stirn in Falten,
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