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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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du?«
    »Madalgis.«
    »Und wie kommt’s, dass er dich missachtet?«
    »Ich … ich habe das Bett mit ihm geteilt. Ich liebe ihn. Aber er schert sich schon längst nicht mehr drum.«
    »Und warum liebst du ihn?«, fragte er
    Vorhin hatte sie ihn befremdet. Nun war sie es, die ihn voller Verwirrung anstarrte.
    Er sollte sich nicht mit ihr abgeben, ging es Ludwig durch den Kopf, sie war doch nur ein dummes Mägdelein, wie sollte sie ihm eine rätselhafte Macht wie die Liebe erklären können, die sich doch dadurch auszeichnete, nicht in Worten fassbar zu sein. Ihn hatte dieses Gefühl noch nie gestreift. Weder hatte es ihn je danach getrachtet, bei einem Weib zu liegen, noch hatte er sonderlich viele Gedanken daran verschwendet, als sein Vater ihn mit der Tochter des Bretonenhäuptlings Erispoes verlobt hatte – im gleichen Jahr, als seine Schwester Judith das erste Mal geheiratet hatte.
    Und die Huren, die manches Mal das Heer begleiteten, hatten ihn stets kalt gelassen. Mehr als einmal hatte er gesehen, wie Balduin eine von ihnen mit in sein Zelt nahm, er hatte zuerst dem Gelächter gelauscht, das wie ein Gegacker klang, und dann dem Stöhnen. Mitnichten hatte er es ihm geneidet, aber er hatte manchmal bedauert, dass jene Regel seines Großvaters Kaiser Ludwig nicht mehr galt, wonach jeder Mann, der bei einer Hure angetroffen wurde, sie auf den Schultern bis zum Marktplatz tragen und sie dort auspeitschen musste. Falls er sich weigerte, würde er mit ihr ausgepeitscht. Nun, er hätte Balduin gerne in solchen Gewissensnöten erlebt.
    »Ich habe gehofft, er würde mein Leben zum Besseren wenden«, sprach Madalgis da, als er schon nicht mehr auf ihre Antwort wartete. »Ich dachte, er würde nicht zusehen, wie die Frau, die bei ihm liegt, niedrige Arbeiten zu verrichten hat. Doch es war ihm gleich. Und ich … ich hatte gehofft, dass es mir irgendwann auch gleich sein würde, dass er mir nichts mehr bedeuten würde. Doch vorhin, als er in den Hof ritt … Nun, da wusste ich es wieder … dass er, mag er auch noch so furchtlos und stark sein, mich nie aus meinem Elend befreien wird!«
    Ludwig starrte wieder durch das trübe Fenster. Obwohl er seine Züge nicht erkennen konnte, nahm er Balduins großgewachsene Statur und seine hellen Haare nun deutlich wahr. Ja, so sah wohl ein Krieger aus, den die Frauen liebten – und die Waffengefährten bewunderten. Ein Krieger, wie sein Vater ihn sich wünschte. Nicht klein und gedrungen, nicht mit entstellten, weil irgendwie schiefen Zügen, deren beide Hälften nicht zusammenpassten, nicht mit Glupschaugen, bleicher Haut, nicht mit diesem Stottern.
    »Pah!«, stieß Ludwig verächtlich aus. »Du hast ihn nicht in manchen Nächten gesehen, deinen starken, furchtlosen Krieger!«
    Madalgis blickte verwundert auf.
    Noch nie hatte Ludwig darüber gesprochen, nicht einmal mit Balduin selbst. Oft, wenn sie Zelt an Zelt schliefen, sich manchmal sogar eines teilten, hatte er erlebt, wie der starke, großgewachsene Mann, den er tagsüber so glühend beneidete, an schrecklichen Träumen litt. Dann wälzte sich Balduin auf dem Lager, wimmerte wie ein Weib, schwitzte an Stirn und Nacken, bis sich die Haare feucht kräuselten. Manchmal schrie er auf, als stünde er dem Teufel selbst gegenüber. Ludwig wusste, dass es gnädiger wäre, ihn zu wecken, ihm zu erklären, dass das, was ihn heimsuchte, nicht der wirklichen Welt entsprang, sondern der dunklen, undeutbaren der Phantasie. Doch nie hatte er ihn tröstend aus dem Schlaf gerissen, sondern ihn immer dem finsteren Alb überlassen. Tagsüber mochte ihm das Kriegsglück hold sein – sollte er des Nachts selbst zusehen, wie er mit dessen Schatten zurechtkam.
    »Er … er will mich schon lange nicht mehr«, murmelte Madalgis. »Anfangs gefiel ich ihm noch. Doch mittlerweile hat Johanna ihm so viele Frauen geschickt, dass ich nur mehr eine von vielen bin. Er hat mich vergessen, vielleicht hat er mich nie richtig gesehen. Stünde ich heute vor ihm, er wüsste wohl nicht einmal mehr meinen Namen. Und vielleicht … vielleicht geschieht mir das auch recht. Denn ich bin hässlich, schrecklich hässlich.«
    Ludwig verstand nicht, was sie meinte, aber er beugte sich wieder zu ihr, nicht länger verstört oder verärgert von ihrer Gegenwart, sondern irgendwie ermüdet.
    »Wie kann ich dir helfen?«, fragte Ludwig unvermittelt. Ihr Weinen und ihr Reden von der Liebe waren ihm fremd, ihre Verbitterung aber war ihm vertraut. »Und du bist doch nicht

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