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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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sch-sch-schlichtweg, damit ich zu beschäftigt bin, um an einem Aufstand gegen ihn mitzuwirken.«
    Als Ludwig endlich geendigt hatte, lag das Gewicht seiner langen Rede wie Blei auf Balduins Schultern. Er hörte dergleichen Worte nicht zum ersten Mal – und sie verunsicherten ihn zutiefst. Wie könnte er den Krieg ertragen, wenn er nicht daran glaubte? Wie könnte er, wie jetzt, zu seinem Lehen Flandern aufbrechen – einen Teil der Strecke würde er mit Ludwig zurücklegen, jener wollte dann aber Richtung Neustrien reiten –, wenn er sich nicht sicher war, dass er dessen fragile Grenzen mit aller Macht schützen musste?
    Er war sich auch nicht gewiss, was Ludwig von ihm erwartete – einfach nur Schweigen oder Zustimmung oder Betroffenheit?
    »Wenn du meinst …«, murmelte er hilflos und sehnte den Zeitpunkt herbei, da sich ihre Wege trennen würden.
    Ludwig kniff die Augen zusammen. »S-s-s-sag, hörst du mir überhaupt zu?«, kam es mürrisch.
    Balduin beeilte sich, eifrig zu nicken. »Ich stehe doch auf deiner Seite, mein Prinz!«, rief er hastig. »Aber manchmal … manchmal denke ich, du solltest die Dinge leichter nehmen.«
    »So, so«, murmelte Ludwig, »die Di-Di-Dinge leichter nehmen. So, wie du sie 1-1-1-leicht nimmst, nicht wahr? Weil sch-sch-schließ-lich andere für dich die Lasten tragen?«
    Balduin runzelte verwirrt die Stirne, doch noch ehe er fragen konnte, was Ludwig mit dieser Andeutung meinte, ging ein Ruck durch sein Pferd.
    »Was zum Teufel …«, entfuhr es ihm, während er seine Oberschenkel anspannte. Die beiden Krieger vor ihnen hatten den Zug gestoppt, und schon kamen die Männer der Vorhut angeritten, um den Grund für die ungeplante Rast zu erklären. Der Schnee stob unter den Hufen ihrer Pferde hoch. Noch ehe Balduin ihre Worte verstehen konnte – der kalte Wind trieb sie ineine andere Richtung davon –, deuteten ihre Gesten bereits an, dass nicht weit von ihnen eine Schlacht im Gange war.
    Ludwig rollte seine Augen, als wäre dies eine allein für ihn bestimmte Zumutung, die er nebst all der anderen Unbill auch noch zu ertragen hätte. Balduin aber schoss die Hitze der Aufregung in sämtliche Glieder; das Unbehagen, das Ludwig in klebrigen Tropfen über ihn ergossen hatte, wich augenblicklich.
    »Ausweichen … oder mitkämpfen?«, fragte er in Ludwigs Richtung.
    Ludwig starrte ihn undurchdringlich an. »P-p-p-prüf du die Lage!«, befahl er schließlich in beleidigtem Tonfall. »Dann s-s-s-sehen wir weiter!«
     
    Balduins Griff zu seinem Langschwert erfolgte wie von selbst, als er dem Weg der Vorhut gefolgt war und das Getümmel erreichte. Er hatte es bereits in der Hand, noch ehe er darüber nachdachte, was als Nächstes zu tun sei. Unwillkürlich schützte er sich hinter seinem Schild, als Pfeile auf ihn einprasselten. Er konnte ihnen mühelos ausweichen, denn wer immer sie abgefeuert hatte, verstand von der Kriegskunst wenig. Sorglos ritt er mitten in das Gewühl. Das Warten, das ihm der Krieg – vor allem an Ludwigs Seite – aufzwang, zermürbte ihn stets, und jeder Gedanke an bevorstehende Schlachten grummelte in seinem Magen, als wäre er mit Steinen gefüllt. Doch wenn es dann losging, wenn er das Keuchen und Schnaufen der Krieger hörte, ihre Leiber sich in einem tödlichen, vermeintlich unentwirrbaren Tanz verknäulten, so fühlte er weder Furcht noch Unbehagen, nur diesen wilden Lebenstrieb. Es war wie ein Hunger, der sich niemals sättigen ließ, ein Lodern, das nicht wirklich wärmte, beides jedoch so stark, dass es jeden vernünftigen Gedanken ausmerzte.
    Er musterte die Horde, um sich ein Bild zu machen, wie viele Menschen an der Schlacht beteiligt waren, hob dann das Langschwert, um es auf einen der Köpfe hinabsausen zu lassen – und erstarrte mitten in seiner Bewegung.
    Derart kümmerliche Gestalten hatte er noch nie gesehen. Dieeinen waren offenbar fränkische Bauern. Sie wurden vom schlichten Grau ihrer Kleidung verraten und ebenso von den Waffen, die sie blindwütig und ohne jegliche Schulung nutzten – nämlich Dreschflegel und Sensen. Dass so ein armseliges Trüppchen über irgend jemanden siegen konnte, war undenkbar – das dachte Balduin zumindest so lange, bis er den Feind erspähte. Es waren zwar Normannen – das bewiesen ihre blonden Haare, die bis über ihre Schultern reichten, und ihre bunten, wenngleich ausgeblichenen Tuniken in Blau, Grün und Rot, die von metallfar-benen Fäden zusammengehalten wurden –, aber es waren keine aufrechten,

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