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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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umfasste alles von Sachverständigenexpertisen über Versicherungspolicen bis hin zu Ehevertragsdetails, Bankrottverfahren und Nachlassangelegenheiten.
    Simon war jedoch ganz plötzlich gefeuert worden. Das FBI hatte einige Versuche, die Rechner großer Banken zu hacken, bis zu seinem Computer zurückverfolgt. Das Gefängnis war ihm nur erspart geblieben, weil der Rechner des FBI ebenfalls gehackt wurde und alle Beweise verschwanden. Simons Büro war jedenfalls an Stephen gefallen, zusammen mit reichlich seltsamen Hinterlassenschaften: einer Liste von Passwörtern und Usernamen, die hinter einer Schublade versteckt war, E-Mails von einem Unbekannten, der von Stephen verlangte, dass er Dateien löschte, die plötzlich auf seinem Computer auftauchten, und einem olivgrünen T-Shirt, das ein Bild von einer Schlange sowie die Aufschrift Python trug und einen üblen Geruch verströmte – Stephen hatte es erst nach längerer Zeit hinter dem Aktenschrank entdeckt.
    Er starrte an die Wand und fragte sich, wie lange er noch von Ramen-Nudeln und Bier leben konnte. Sein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schwand so schnell wie sein Kontostand. Er betrachtete sein Spiegelbild in der Edelstahl-Kaffeetasse. Das Alter würde es vermutlich nicht gut mit ihm meinen. Schon jetzt hatten sich graue Stellen in sein schwarzes Haar geschlichen, besonders an den Schlä fen. Zwar war er über einen Meter neunzig groß (erstaunlich, wenn man bedachte, dass seine Eltern beide keine Riesen waren), aber mittlerweile trug er einen stattlichen Bauch vor sich her – die Mitgliedschaft im Fitnessstudio war eins der ersten Dinge gewesen, die er hatte aufgeben müssen. Seine Augen waren blutunterlaufen: zu wenig Schlaf und zu viel Bourbon. Seine Haut hatte den grauen Farbton eines schmutzigen Geschirrtuchs angenommen. Und natürlich war er sich im Klaren darüber, dass man ihn in erster Linie deswegen nicht auf die Straße setzte, weil sein Vater einen ausgezeichneten Ruf genoss.
    Dylan Jameson hatte fast sein ganzes Leben lang eine Galerie in SoHo besessen. In den wunderschönen Räu men war Stephen aufgewachsen; er hatte zwischen riesigen Leinwänden Verstecken gespielt, sich mit Rahmenclips und L-Trägern vergnügt und alte Ausstellungskataloge wie Mauersteine aufgeschichtet. Er lernte alles über Perspektive, indem er auf den Schultern seines Vaters saß, während der auf ein Gemälde zuging und sich dann wieder davon entfernte. Sein Vater brachte ihm auch Fachausdrücke wie Fluchtpunkt und Horizontlinie bei und erklärte ihm, was es mit Gradzahlen und Achsen und kurvilinearem Bildaufbau auf sich hatte. Mit den Fingern zog Stephen die Pinselstriche auf den Bildern nach, ertastete die Mulden, die die schwere Ölfarbe hinterlassen hatte. Durch eine Lupe betrachtete er die Werke, während sein Vater ihn abfragte: Lasur oder Lavierung? Alla prima oder Untermalung? Nass in nass oder fett auf mager?
    Sein Vater hatte es ihm zwar angeboten, aber es wäre ein Fehler gewesen, in seiner Galerie zu arbeiten, von dem fehlenden Titel ganz abgesehen. Die großzügigen Räume waren für ihn eine ständige Ernüchterung, und das fröhliche Auftreten des Direktors erinnerte Stephen bloß daran, dass es ihm selbst an Format mangelte. Darum hatte er seine mageren Ersparnisse abgehoben und war nach Europa gef lohen, wo er sich in billigen Pensionen und schäbigen Hotels einmietete und die Reste des Frühstücks heimlich in seinen Rucksack schaufelte, um später ein Mittagessen zu haben. Er trank lausigen Wein, der ihm Kopfschmerzen machte, und rauchte Zigaretten, die seine Fingerspitzen gelb färbten. Überall stellte er sich vor, Chloe wäre bei ihm. Er spürte förmlich ihre spitzen Fingernägel, die sich immer dann in seine Handfläche gebohrt hatten, wenn sie seinen Redeschwall unterbrechen und ihn küssen wollte. Er hörte das Geräusch ihrer Absätze, ihre unruhigen Schritte hinter ihm, während er Tizians »Himmlische und irdische Liebe« in der Galleria Borghese betrachtete. Er glaubte fast, Chloe zu sehen, wie sie in einem Straßencafé den letzten Rest ihres Pinots leerte und enttäuscht dreinschaute. Und ihren Blick, bevor sie den Wein gegen eine andere Art der Befriedigung eintauschte: kalte Berechnung, die ihn erstarren ließ.
    In Rom hatte er einen Anruf seiner Mutter ignoriert – auf dem Handydisplay hatte er ihre Nummer gesehen –, weil er wusste, dass sie ihn überreden wollte, wieder nach Hause zu kommen. Daraufhin hatte er das Handy

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