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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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endloses Blau. Was hatte Thomas noch gleich gesagt? Ich wollte ihr etwas wegnehmen . Alice stellte den Käfig zurück auf den Nachttisch und ließ den Vogel in ihre Tasche gleiten.

7
    November 2007
    H atte er wirklich geglaubt, durch die Tür des Sommerhauses zu spazieren und die beiden Bilder an der Wand zu entdecken, mit einem großen freien Platz dazwischen? War um denn nicht gleich ein riesiges rotes X als Markierung, um die Sache einfacher zu machen? Der Mann namens Evan, der sie hereingelassen hatte, behielt sie ständig im Auge. Finch sah ihn nicht ein einziges Mal blinzeln. Der Kerl hatte von ihnen verlangt, dass sie beide im selben Zimmer blieben, und sich selbst an der Tür als Wache postiert, als rechnete er damit, dass sie sich wie Diebe aus dem Staub machten. Aber womit eigentlich? Mit dem verlotterten Sofa, über dem ein altes Tuch lag? Mit den gesprungenen vergilbten Lampenschirmen, von denen so viele Spinnweben hingen, dass sie eine ausgezeichnete Hängematte für ein kleines Säugetier abgegeben hätten? Finch suchte den Boden nach Spinnen ab. Der Perserteppich hatte eine lichte Stelle, die größer war als die auf seinem Kopf. Dass Thomas auch so unbedacht mit seinen Sachen umging! Finch konnte ihn nicht verstehen. Er hätte das Haus verkaufen und vom Erlös eine Weile leben können – oder gar einen Teil seiner Schulden damit bezahlen, aber das war wohl zu viel verlangt. Stattdessen stand das Haus leer, einsam und versteckt zwischen hohen Bäumen.
    Das Seeufer war von Eisschollen gesäumt. Die Wasseroberfläche war wie ein glatter Spiegel, der sich bis zum Horizont hinzog. Wo immer Finch auch hinsah: überall Weiß. Die Stämme der Bäume waren mit Schnee bedeckt, ihre Äste von weißen Wolken umhüllt. Die Anlegestelle, die Stufen, die Dächer der umliegenden Häuser, alles lag unter einer eisigen Decke. Es war ein Winterbild wie aus dem Urlaubskatalog, aber Finch empfand die Szenerie als klaustrophobisch.
    »Der Eigentümer ist ein Freund von mir«, erklärte er Evan, dem Wachhund mit Bürstenhaarschnitt, der kerzengerade dastand, den Rücken gegen die Tür gedrückt, die Arme über dem Bauch verschränkt.
    »Ein guter Freund?«, wollte Evan wissen.
    »Absolut«, erwiderte Finch.
    »Dann wissen Sie wohl, dass er tot ist.«
    Finch stockte der Atem. Dann wurde ihm klar, dass der Mann von Baybers Vater sprechen musste. »Das ist ein Missverständnis. Ich meine nicht die Eltern. Ich bin ein Freund von Thomas Bayber, dem Sohn.«
    »Er ist jedenfalls nicht der Eigentümer.«
    »Aber wenn Mr. und Mrs. Bayber bereits verstorben sind, dann ist ihr Besitz doch sicherlich an den Sohn gefallen?«
    »Keine Ahnung. Gibt ja genug Anwälte, die sich um den ganzen Kram kümmern. Oder auch nicht. Ich pass halt aufs Haus auf, das ist alles. Damit keine Strolche einsteigen und die Einrichtung plündern.«
    Den letzten Satz brachte Evan mit einer besonderen Betonung hervor. Finch bedauerte, dass er nicht an einen vor datierten Zettel mit der gefälschten Unterschrift von Bayber senior gedacht hatte, der ihm erlaubte, in dessen Abwesenheit das Haus zu durchstöbern.
    »Finch! Das müssen Sie sehen!«, rief Stephen vom Ende des langen Flurs, wohin er sich trotz Evans strenger Ermahnungen begeben hatte.
    Finch musterte Evan und fragte sich, ob er es wohl im Kampf gegen ihn aufnehmen konnte. Der Mann war nicht wesentlich jünger als er selbst. Evan knackte mit den Finger knöcheln und zuckte mit den Schultern. »Er ist am Ende des Flurs. Wahrscheinlich erste Tür rechts. Aber ich muss hinterher Ihre Taschen kontrollieren.«
    »Reizend«, murmelte Finch. Er spürte, wie die Tristesse des Hauses langsam auf ihn abfärbte. Müde schlurfte er den Flur hinunter. Es war ein Fehler gewesen, sich mit Ste phen zusammenzutun, sich gemeinsam auf dieses Himmel fahrtskommando zu begeben. In seinem eigenen Metier kannte er sich aus, aber das hier sprengte alle Grenzen. Was wusste er schon davon, wie man verschwundene Kunst aufspürte? Und was, wenn Thomas sich bloß einen schlechten Scherz erlaubt hatte? Nein. Er hatte Thomas besucht, bevor sie aufbrachen. In seinem Zustand hatte er keine weiteren Details oder gar eine Erklärung liefern können, aber Finch hatte Hoffnung und Erwartung in seinen Augen gesehen. Es war kein Scherz.
    Finch stand im Türrahmen eines Schlafzimmers und warf einen Blick hinein. »Was soll ich mir denn anschauen?«
    Stephen sah über die Schulter zu Finch. »Was ist denn los mit Ihnen?«
    »Finden Sie es

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