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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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verblüffte sie alle, aber Tahn freute sich, sie wiederzusehen. Ihre Augen reflektierten den Kerzenschein wie strahlende, braun-graue Spiegel. Ihre Haut schimmerte glatt und makellos. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine zarte Nase und trug das dunkle Haar in Zöpfen zurückgebunden. An einem schwarzen Lederband um ihren Hals hing ein Abzeichen – zwei weiße Klingen.
    Vendanji blickte Braethen prüfend ins Gesicht. Da flüsterte die junge Frau ihm etwas ins Ohr. Sie war größer als die meisten Frauen im Helligtal, beinahe so groß wie Tahn. Während sie sprach, betrachtete Tahn den feinen Schwung ihres Kiefers und sah zu, wie die vollen Lippen sich zu weichen Formen verzogen. Das gelbliche Licht im Raum wirkte warm auf ihrer Haut. Als Tahn plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte, zuckte er zusammen. Er drehte sich auf seinem Stuhl halb um und blickte in Sutters feixendes Gesicht.
    »Also schön«, sagte Vendanji schließlich. Tahn wandte sich ihm wieder zu, ohne Sutter weiter zu beachten. »Aber wisse eines«, ermahnte Vendanji den jungen Mann. »Dein Freund ist auch mein Freund, und sein Leichnam liegt noch hier in diesem Haus. Ich werde es nicht dulden, wenn allzu leichtfertig mit seinem Andenken umgegangen wird. Es ist nicht romantisch, die Geschichten zu bewahren, nicht die Erfüllung eines kindlichen Traums vom Erwachsensein. Es erfordert harte Arbeit und Opfer … und es birgt Gefahren. Ein Sodale ist man nicht, wenn man nur Worte kennt und mit einem Schwert umgehen kann. Ein Sodale zu sein bedeutet, Worte mit dem Schwert zu verteidigen. Wissen qualifiziert dich nicht annähernd dafür. Dennoch überlasse ich die Entscheidung dir. Aber glaube mir, Braethen, dass von dir viel mehr erwartet wird, als Geschichten zu hüten. Mehr, als dir lieb sein dürfte.«
    In diesem Moment kam die Frau um den Tisch herum und legte ein Schwert vor Braethen hin. Weiter gab es dazu nichts zu sagen. Doch Tahn bemerkte einen furchtsamen Ausdruck in den Augen des Möchtegern-Sodalen.
    Zur Antwort steckte Braethen die Schriftrolle wieder in seinen Umhang und ergriff das Schwert, das in einem Futteral steckte. Vendanji nickte und wandte sich Tahn zu, dem plötzlich der Mund offen stand.
    Sheson!
    Auch Sutter starrte den Mann jetzt an. Woher wusste Braethen das?
    Dieser Vendanji war ein Lenker. Tahn überkam die gleiche böse Ahnung wie am Morgen, als er den Velle im Wald gesehen hatte. Der den Allwillen seinem eigenen unterworfen hatte. Es ängstigte Tahn, auch nur im selben Raum zu sein.
    In diesem Moment trat Hambley mit einem großen Krug Bitter und einem Holzteller mit Brot ein. Der dampfende Laib glänzte vor Ziegenbutter. Ihm folgte sein Sohn Mena, der in der Küche half, mit fünf großen Gläsern. Hambley blieb abrupt stehen, als er die junge Frau bemerkte. Doch er fasste sich rasch, schickte Mena nach einem weiteren Glas und stellte allen, die schon am Tisch saßen, eines hin. Dann schenkte der Wirt jedem von seinem dunklen, kräftigen Bier ein und füllte auch das letzte Glas, sobald Mena damit zurückkam. Hambley scheuchte seinen Sohn zurück in die Küche, setzte sich und trank sein Glas in einem Zug halb leer.
    »Wir packen nur das Nötigste ein und brechen sofort auf«, begann Vendanji. »Sagt euren Familien nichts. Ihr würdet sie damit nur in Gefahr bringen.«
    Tahn hörte zu, obwohl sein Verstand sich anfühlte wie zersplittert. »Nichts wovon?«, fragte er schließlich. »Wenn du die Bar’dyn meinst – von denen müssen wir ihnen erzählen. Das ist die Gefahr, die ihnen hier droht. Und nicht nur unseren Familien, sondern ganz Helligtal.«
    »Er hat recht«, stimmte Sutter zu. »Ich weiß nicht, woher du das mit meinen Eltern weißt, Vendanji, aber wenn es stimmt, was Ogea gesagt hat, werde ich meine Familie nicht im Stich lassen. Eigentlich habe ich für die alten Geschichten nichts übrig. Aber irgendetwas hat den Vorleser erwischt, und ich werde herausfinden, was das war.«
    »Du dummer Junge.« Die Worte klangen gleichmütig, eintönig und kamen von dem Mädchen neben Vendanji. »Besitzt du keinen Funken Vernunft? Hast du nichts von alledem gehört, was schon gesagt wurde?« Ihre Worte ließen Sutters Protest verstummen. »Von weit jenseits eurer Wälder kommen wir hierher, werden Zeugen, wie ein Siegel bricht, wie ein Vorleser stirbt, und hören Namen, die zuletzt in einem Atemzug genannt wurden, als der Eine seine Stilletreuen ins Land schickte und der Krieg des Ersten Eides tobte.« Ihre Stimme klang

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