Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
Vom Netzwerk:
auch Kenntnis von dem Geschöpf, das vor Tahns Augen dem Regen selbst befohlen hatte?
    Tahn schilderte seine Begegnung mit der Kreatur im Wald, die Dunkelheit im Regen und den trockenen Boden mit den versengten Löchern zweier Fäuste darin. Als er fertig war, betrachtete Vendanji ihn nachdenklich, stellte aber keine Fragen.
    Schließlich ergriff er das Wort. »Es gilt, Entscheidungen zu treffen. Nur Braethen hat den Wandel bereits vollzogen, aber Tahn hat keinen Vater als Beistand, und dich« – Vendanji zeigt e auf Sutter – »würde ich lieber hierlassen. Aber du weißt zu viel. Wenn ich dich zurückließe, wärst du eine Gefahr für uns, für dich selbst und für deine Adoptiveltern.«
    Tahn drehte sich zu seinem Freund um. Sutter war der Sohn von Filmoere und Kaylla Te Polis, den besten Gemüsebauern im ganzen Helligtal. Tahn war Tausende Male bei ihnen zu Hause gewesen. Vendanji musste sich irren. Adoptiert? Doch der betretene Blick seines Freundes bestätigte Vendanjis Behauptung. Tahn zog fragend die Augenbrauen hoch. Sutter zuckte nur mit den Schultern.
    »Beschäftigt euch später mit diesen Enthüllungen«, fuhr Vendanji fort. »Sobald die nötigen Vorbereitungen getroffen sind, müssen wir Helligtal verlassen.« Er fixierte Braethen mit stählernem Blick. »Weshalb trägst du das Abzeichen der Sodalität? Bist du in den Orden initiiert?«
    Braethen schüttelte den Kopf. »Nicht offiziell. Ich habe viele Bücher studiert …«
    »Kannst du mit einem Schwert umgehen?«, unterbrach ihn Vendanji.
    »Ich hatte schon ein Schwert in der Hand …«
    »Hast du je in einer Schlacht gekämpft?«, fragte Vendanji mit ungeduldig erhobener Stimme.
    Braethen schüttelte erneut den Kopf. »Aber ich studiere die Sodalität seit fast zwanzig Jahren. Ich weiß, was die Aufgabe erfordert.«
    Ein finsterer Ausdruck trat auf Vendanjis Gesicht. »Ach ja? Du hast eben am Bett eines Sterbenden gesessen, der von Ausbrüchen aus dem Born, von Velle und Stilletreuen sprach. Was glaubst du, in all deiner Weisheit, wird uns erwarten, wenn wir von hier fortgehen? Hat dein Studium dich darauf vorbereitet?«
    Braethen wirkte beschämt. Tahn hatte stets ein Leuchten in seinen Augen gesehen, wenn Braethen davon sprach, Sodale zu werden. Nun erlosch es plötzlich.
    Vendanji war noch nicht fertig. »Menschenleben werden davon abhängen. Hehre Ideale, die du in einem Buch gelesen oder von einem Dach herab gehört hast, zählen keinen Atemzug, wenn die Stille Gefahr dir im Dunkeln gegenübersteht. Dein Geist wird einbrechen, sich gegen sich selbst wenden, und wir werden gezwungen sein, dich zu bemuttern, während andere ihr Leben lassen.«
    Braethen sank auf seinem Stuhl zusammen. Er hatte sein Leben lang so viel Spott ertragen, weil er nach den Idealen der Sodalität leben wollte. Aber Tahn hatte noch nie erlebt, dass der junge Mann deswegen so schwer gerügt wurde. Das war grausam. Zorn flammte in ihm auf.
    Doch sein Protest erstickte ihm in der Kehle, als er sah, dass Braethen sich nicht wieder aufrecht hinsetzte, sondern sogar aufstand. Die Kerzen flackerten, und Schatten tanzten über das schartige Holz des Tisches. Harz knackte und zischte im Feuer und verbreitete einen Hauch von verbrannter Kiefer.
    »Bitte, Sheson …«
    »Halt, Bursche! Gib acht, was du sagst!« Vendanji sprang so energisch auf, dass sein Stuhl klappernd umkippte.
    Grauen malte sich auf Braethens Gesicht. »Verzeihung, aber bitte bedenkt …« Er verstummte unter dem unerbittlichen Blick des Mannes. Dann zog er langsam eine Schriftrolle aus seinem Umhang. Das Pergament trug noch das zerbrochene Siegel. Tahn beobachtete ängstlich Vendanjis Miene in Erwartung eines Zornesausbruchs. Doch Vendanji schwieg, und sein Gesichtsausdruck war wieder gelassen.
    Braethen legte das Pergament auf den Tisch, wollte es aber offensichtlich nicht aufrollen. Er blickte zu Vendanji auf und sah dann wieder die Schriftrolle an. Das Schweigen in der Ratskammer war so vollkommen, dass Tahn glaubte, die Kerzen brennen zu hören.
    »Ich kenne die Geschichten«, begann Braethen. »Mein Vater ist Autor, und ich kenne die Geschichten. Daher kenne ich auch … den Pfad, dem Ihr folgt. Und Ogea war mein Freund. Ich will Euch begleiten. Wenn nicht, um Sodale zu werden, dann zu Ehren des Mannes, der an meinen Traum geglaubt hat.«
    In diesem Augenblick trat das Mädchen, das Tahn zuvor nur kurz gesehen hatte, aus den Schatten. Urplötzlich stand sie an Vendanjis rechter Schulter. Ihr Erscheinen

Weitere Kostenlose Bücher