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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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ganzes Leben lang – zumindest so weit seine Erinnerung zurückreichte.
    Vendanji sprach leise mit Mira. Die Worte drangen nicht bis zu Tahn, doch die Fern lauschte aufmerksam und sprang dann durch das Loch hinaus, das der Bar’dyn in die Wand gesprengt hatte. Vendanji trat zu Tahn und blickte auf seine Schwester hinab. »Anais Wendra«, sprach er sie mit der alten Anrede an, die man im Helligtal nur selten hörte, »war Euer Kind totgeboren?«
    Sutter schnappte bei dieser Frage nach Luft.
    »Hat sie denn nicht schon genug …«, begehrte Tahn auf.
    »Schweig, Tahn. Manche Dinge muss ich wissen.« Vendanji wandte den Blick keinen Moment lang von Wendra ab.
    Sie legte eine Hand auf Tahns zitternde Finger und drückte sie liebevoll, um ihn zu beruhigen. Tahn staunte im Stillen über ihre Kraft. Das lange dunkelbraune Haar klebte ihr noch am Kopf von den Strapazen der Geburt, ihre tiefblauen Augen waren vor Schmerz halb zugekniffen, und dennoch wollte sie nicht, dass er sich Sorgen machte.
    Mit heiserer Stimme presste Wendra hervor: »Ja, das Kind kam tot zur Welt.«
    Ein finsterer Ausdruck breitete sich über Vendanjis Gesicht, und er legte eine Hand auf Tahns und Wendras Hände. Schließlich sagte er: »Ihr müsst mit uns fortgehen.«
    »Aber Vendanji, sie kann nicht reiten«, widersprach Tahn. »Wie sollte sie sich nach allem, was sie gerade durchgemacht hat, auf einem Pferd halten können? Und ich dachte, wir verlassen das Helligtal, um unsere Familien zu schützen . Wenn sie mit uns kommt, ist sie in noch größerer Gefahr.«
    Vendanji brachte Tahn mit erhobener Hand zum Schweigen und sah Wendra direkt in die Augen. »Anais Wendra? Wollt Ihr uns begleiten?« Sie nickte. »Gut. Sutter, hol die Pferde. Mach sie bereit.« Sutter starrte ihn zaudernd an. »Ich habe keine Zeit zu warten, während du Maulaffen feilhältst, Rübenbauer! Nun geh schon!« Sutter wich zögerlich zur Tür zurück, drehte sich schließlich um und rannte hinaus in den Regen. Draußen war lautes Wiehern zu hören, als ein weiterer Donnerschlag krachte.
    Vendanji ging zu der zerstörten Wand und starrte in die Nacht. Sein Gesicht lag im Schatten, aber Tahn konnte dennoch die gerunzelte Stirn und den verkrampften Kiefer erkennen. Ohne sich umzudrehen, sagte Vendanji ruhig: »Uns bleibt keine Zeit mehr.«
    Der Regen ließ nicht nach, während Tahn seiner Schwester in eine seiner Hosen half, die ihr viel zu weit war, und sie in eine dicke Decke wickelte. Er zog ihr ein Paar Stiefel an, doch ehe sie aufzustehen versuchte, griff sie unter ihr Bett und hol te eine kleine hölzerne Schatulle aus einem darunter verborgenen Fach. Dann richtete sie sich auf. Sie verzog das Gesicht, als sie die Beine belastete, und fiel in Tahns Arme. Der warf einen besorgten, zornigen Blick auf den großen Mann, der noch immer in die Nacht hinausschaute, doch Vendanji schien ihn nicht zu bemerken. Weshalb drängte er Wendra, mit ihnen fortzugehen? Irgendwo in den Wäldern ertönte ein schriller Schrei.
    Sutter eilte wieder herein. »Die Pferde sind vor dem Haus angebunden. Aber ich glaube nicht, dass sie es allzu weit schaffen werden.« Er schlug die Kapuze zurück und wischte sich Regentropfen von der Nase. Vendanji drehte sich immer noch nicht um. Tahn warf Sutter einen nervösen Blick zu und wies mit einem Nicken auf den großen Mann.
    »Ihr Umhang hängt hinter der Tür«, sagte Tahn schließlich. Braethen nahm das Kleidungsstück vom Haken und half Tahn, es Wendra umzulegen.
    Vendanji wirbelte unvermittelt herum und ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Haltet hier Ausschau nach Mira«, befahl er und deutete erst auf Braethen und Sutter, dann auf das Loch in der Wand. Die beiden taten, wie ihnen geheißen.
    Vendanji trat mit zwei großen Schritten zu Tahn und Wendra, nahm Wendra bei der Hand und führte sie sacht zu einem Stuhl neben dem umgekippten Tisch. Er kniete vor ihr nieder und blickte ihr forschend ins Gesicht. Kurz ließ er ihre Hand los, um sie dann mit Bedacht wieder zu ergreifen. Er verschränkte den kleinen Finger und den Ringfinger mit ihren und drückte ihren Daumen in seine Handfläche. Die andere Hand legte er an ihre Stirn. Fast unhörbar begann er zu sprechen und sorgte dafür, dass Wendra den Blick nicht von ihm abwandte. Ein weicher Schimmer umgab sein Gesicht, während er sprach, und auch Wendras Züge wurden davon erhellt. Ein staunender Ausdruck breitete sich über Braethens Gesicht, und Tahn fiel plötzlich wieder ein, wie Braethen

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