Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
an ihnen vorbei und die Stufen hinauf. Tore hingen von der Decke über ihnen. Ein rascher Schlag hätte sie zuschwingen lassen, um ihnen den Weg nach oben abzuschneiden. Wendra sah seltsame Klammern, mit denen die Wand an den Treppenrändern besetzt war und in die die Tore wohl einrasteten, sobald sie zufielen.
Wendras Beine hatten längst zu brennen begonnen, als sie in ein großes Zimmer mit Gewölbedecke traten, das mit Rüstungen und Waffen geschmückt war, die auf Ständern aus geöltem Holz ruhten, während auf Sockeln unter Glasstürzen sepiafarbene Pergamente auf Staffeleien ausgestellt waren. Viele waren an den Rändern versengt oder wiesen Brandlöcher wie von einer Fackel auf. Große Gemälde zierten die Wand, und lange, einfarbige Vorhänge in gedämpften Tönen hingen von Messingstangen herab, die hoch oben an der prächtigen Decke des Raums befestigt waren. Ringsum zeugte kohlschwarzer Marmor mit federgleichem Muster von der Würde des Hofes und der Kunstfertigkeit der Handwerker.
Ihr Führer war von dieser Umgebung offensichtlich nicht mehr zu beeindrucken, sondern geleitete sie durch die Halle in einen zweiten Raum, der von Türen gesäumt war und von einer schmalen Treppe beherrscht wurde, die in der Mitte des Zimmers begann und am ersten und zweiten Stock vorbei geradewegs bis in den dritten führte. Marmorgeländer verliefen an den Rändern aller Absätze entlang, obwohl Wendra keine Ahnung hatte, wie viele Leute überhaupt in diese Stockwerke gelangten. Ganz oben verstellten ihnen mehrere Soldaten geübt den Weg und warteten, bis der Rennleiter irgendetwas zu ihnen sagte; dann traten sie zurück. Sie gingen durch eine große, zweiflüglige Tür und sahen eine Anzahl von Landkarten und langen Schriftrollen auf Tischen, an denen Männer und Frauen mit gehetzter Miene saßen. Manche gestikulierten, während andere den Kopf in die Hände gestützt hatten.
Die Hälfte der Menschen im Raum waren Soldaten, die zumeist makellose Uniformen trugen und so wirkten, als ob es ihnen nicht behagte, so sauber und herausgeputzt zu sein. Sonnenstrahlen fielen durch lange, hohe Fenster und durchfluteten den Raum mit Licht; als sie einen Blick aus diesen Fenstern warf, konnte Wendra schon von der Tür aus Decalams gewaltige Ausdehnung sehen. Ihr wurde schwindlig, und sie konzentrierte sich lieber wieder darauf, dem geschäftigen kleinen Herrn zu folgen.
Einige der Leute im Raum blickten auf, als sie vorüberkamen. Manche schienen zu begreifen, um wen es sich bei ihnen handelte, und vergaßen die Belange, mit denen sie gerade beschäftigt waren. Hinter ihnen standen Männer mit Wasserkrügen bereit, um Gläser auf dem Tisch neu zu füllen. Wendra spürte, dass ihr Mund trocken war, und hätte gern um etwas zu trinken gebeten, doch das Schweigen, das ihnen durch den Raum folgte, hielt sie davon ab, eine Bitte zu äußern.
An der Rückseite des Saals wurde eine zweite zweiflüglige Tür von acht Männern bewacht. Der Rennleiter winkte ihnen ungeduldig zu beiseitezugehen, als sie näher kamen. Die Soldaten traten zurück, und die Türflügel wurden aufgezogen, um sie durchzulassen. Hinter der Tür erstreckte sich der nächste Gang, von dem in großen Abständen auf beiden Seiten Türen abgingen, in die Worte in einer Sprache eingeschnitzt waren, die Wendra nicht kannte. Am Ende des Ganges führte eine letzte Treppe zu einer zweiflügligen Tür, die nicht bewacht war. Dorthin brachte ihr energischer Führer sie. Wendra drehte sich der Magen um. Sie ergriff Penits Hand und dann auch noch Shanbes, als sie gerade das Ende des Flurs erreichten.
Ihr Führer blieb an der Tür stehen und drehte sich zu ihnen um. »Ich habe um eine Audienz ersuchen lassen.« Er musterte sie einen nach dem anderen und zeigte mit gekrümmtem Finger auf jeden von ihnen, als würde er sie abzählen. »Die Regentin duldet diese Störung, weil es um die Vervollständigung ihres Hohen Rates geht, aber das ist keine Einladung, das Wort zu ergreifen. Wenn man Euch eine Frage stellt, dürft Ihr antworten. ›Herrin‹ ist eine recht angemessene Anrede für die Regentin. Abgesehen davon verhaltet Euch ruhig.«
Der Mann wartete nicht auf Fragen oder Einwände, sondern stieß mit einem leisen Ächzen die schweren Türflügel zur Kanzlei der Regentin auf. Alle Oberflächen waren aus glänzendem alabasterfarbenem Marmor. Nur ganz winzige Farbabweichungen zeigten, dass er nicht vollkommen weiß war. Fensterbögen reichten in breiten Streifen vom Boden bis
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