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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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deutlich die Gesichter derjenigen, die an der Wand standen: Vendanji, Wendra, Braethen, Penit und Mira. Selbst im Dunkeln und geschwächt konnte er Miras graue Augen erkennen, und sogar jetzt weckten sie ein Feuer in seinen Lenden. Eine Welle von Gefühlen brandete auf ihn ein. Sein Herz freute sich, seine Schwester unversehrt wiederzusehen, ebenso seinen alten Freund. Sogar Vendanjis Anblick war tröstlich. Die Rührung schnürte Tahn die Kehle zu, und er konnte nicht sprechen. Bald würde auch Sutter zu ihnen stoßen. Während ihm noch vor inniger Dankbarkeit und angesichts der verstörenden Worte der Frau, die Rolen als Regentin bezeichnet hatte, schwindelig war, trat Vendanji auf ihn zu.
    »Du bist schwach, aber es geht dir gut«, sagte Vendanji.
    »Vendanji …«, begann Tahn. Sein Mund gehorchte ihm nicht und beraubte ihn jeglicher Worte. Er leckte sich die Lippen und schluckte. »Vendanji, lass bitte nicht zu, dass sie das tun. Du musst über Rolen Bescheid wissen. Er gehört deinem Orden an. Er hat nur versucht, einem sterbenden Kind zu helfen, und dafür ist er verurteilt worden. Bitte.«
    Vendanji musterte Tahn aufmerksam und ging dann an ihm vorbei zu Rolen hinüber.
    »Möchtest du auf diese Art dienen, Fraterna?«, fragte Vendanji.
    »Ja«, antwortete Rolen. »Wenn ich versuche, mich der Strafe für mein Verbrechen zu entziehen, wird die Uneinigkeit zwischen dem Volk und den Räten wachsen.« Er lächelte schwach. »Ich glaube nicht an dieses Gesetz, aber ich bin daran gebunden, so wie auch andere an die Regeln gebunden sind, die über sie bestimmen. Was für ein Diener bin ich, wenn ich mir aussuche, welche Gesetze gerecht sind?«
    »Darüber werden wir uns nicht einig«, sagte Vendanji, »und ich gehe keinen solchen Bund ein. Wenn du darum bittest, werde ich das Risiko für dich auf mich nehmen und dich von diesem Ort fortbringen.«
    »Nein«, sagte Rolen. »Es muss so sein. Ich bereue nichts.« Er blickte an Vendanji vorbei zu Tahn. »Ich sehe darin mittlerweile einen Sinn, der darüber hinausgeht, meinen Eid nicht zu brechen.« Nun richtete er den Blick wieder auf Vendanji. »Dir ist es bestimmt, weit größeren Beistand zu leisten, mein Bruder. Widme dich der Aufgabe gut.«
    Vendanji neigte den Kopf. Rolen tat es ihm nach.
    Der Wärter wandte sich mit Tahn zum Gehen. Als sie die Treppe hinaufstiegen, folgten ihnen die Blicke aller – nur die Frau und Rolen sahen ihnen nicht nach.
    An der Tür streckte Tahn die Hand aus, hielt sich an der Wand fest und erzwang so einen neuerlichen Halt. Er blickte in die Kerkerzelle hinunter und sah die Regentin in ihrem prächtigen Kleid vor dem schmutzigen Sheson stehen, der vor ihr dennoch eine edle Haltung angenommen hatte. »Ich werde dein Geschenk nicht vergessen, Rolen. Danke.«
    Der Sheson wandte sich um und sah zu ihm hinauf. »Mein Freund, das war der ehrenvollste Augenblick meines Lebens.«
    Der Wachsoldat trug Tahn davon.
    Tahn lag still, während Pflegerinnen schnell, aber methodisch ihre Behandlungen vornahmen. Eine Frau, die einen Schal fest ums Gesicht gewunden trug, strich eine kühle Salbe auf seine Hand- und Fußgelenke. Die Paste roch nach Pfefferminze und Nussölen und brannte eisig, lindernd. Danach umwickelte sie die Stellen mit sauberen weißen Stoffstreifen. Eine zweite Frau tränkte einen Lappen mit einer durchdringend riechenden Flüssigkeit und rieb damit die purpurnen Blutergüsse ab, von denen Tahns Körper bedeckt war. Eine dritte zwang ihn, Wasser aus einem Glas zu nippen, und wusch ihm Kopf und Gesicht mit einem feuchten Handtuch.
    Als sie fertig waren, erschien eine weitere Frau und schickte die anderen fort. Sie ging ums Bett herum und betrachtete Tahns nackten Körper aufmerksam und distanziert. Tahn wünschte sich, er hätte seine Nacktheit bedecken können. Außer in den Bädern von Myrr war er noch nie so den Blicken einer Frau ausgesetzt gewesen. Sie ächzte leise, trat vor, beugte sich über sein Bett und sah ihm nacheinander in beide Augen. Sie zog die Hände aus den Falten ihrer schweren Robe hervor, legte die Daumen neben Tahns Nase und umfasste mit den Fingern die Seiten seines Kopfes. Ein Ausdruck von Verwirrung machte sich auf ihrem Gesicht breit.
    Genau in diesem Augenblick kam Vendanji herein. »Danke für Eure Hilfe. Ich kümmere mich um alles Übrige.«
    Die Frau nahm den Sheson gar nicht zur Kenntnis.
    »Tut, was ich Euch sage«, sagte Vendanji.
    Der Befehlston seiner Stimme brachte die Frau dazu, die Hände von

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