Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
befanden. Sutter lachte, stöhnte über die Schmerzen in seiner Brust und lachte dann doch erneut. Der seltsame Rhythmus seines Scherzens und unterdrückten Zusammenzuckens brachte sie dazu, nur umso mehr zu lachen. Mit alledem kehrte ein wenig Gefühl in Tahns Brust zurück, und die Erleichterung löste neuerliches Kichern aus, das länger anhielt, als sie zu hoffen gewagt hätten, und sie dem Schlaf nahebrachte.
Zitternd erwachte Tahn und sah, wie der Schein des Minderen Lichts durchs Fenster auf den Boden fiel. Als er sich die Decke über die Schultern zog, trafen ihn zwei Erkenntnisse gleichzeitig: Er konnte seinen Oberkörper und seine Beine spüren, und das Fenster stand offen. Er sah zu der Öffnung hinüber und ließ den Blick dann schnell durch den Raum schweifen. Im Schatten kniff er die Augen zusammen und spähte in die Dunkelheit. Der Einfall des Mondscheins sorgte in ihrer Schlafkammer für scharfe Kontraste. Tahn fühlte sich unter seiner Wolldecke unbehaglich.
»Sutter«, flüsterte er. Der Klang seiner eigenen Stimme erschien ihm hohl. Keine Antwort. Er konnte nicht erkennen, ob das Bett seines Freundes belegt war oder ob die Decke und die Laken nur einen Körper vortäuschten. Tahn stemmte sich auf einen Ellbogen hoch. »Sutter, es ist nicht der rechte Zeitpunkt für Spielchen.«
Keine Antwort.
Tahn rutschte zurück und war sich der Schwäche seiner Arme bewusst, aber froh, sie überhaupt gebrauchen zu können. Er setzte sich auf und sah mit zusammengekniffenen Augen zur anderen Seite des Raums hinüber. Das Bett war leer. Dann hörte er draußen das Knirschen von Steinen unter Stiefelsohlen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und sorgte dafür, dass sich ihm die Haare auf den Beinen aufstellten. Er war immer noch verhalten erregt über die Rückkehr des Gefühls in seine Haut, aber die Vorstellung, dass ein unsichtbarer Besucher hier sein mochte, lähmte ihn vor Furcht. Vielleicht war es Sutter, aber irgendetwas warnte ihn, dass es nicht so war.
Wo ist mein Bogen?
Den Blick immer noch auf das Fenster gerichtet, schwang Tahn die Beine über die Bettkante. Er setzte dazu an, aufzustehen, aber dann wurde ihm klar, dass er keine Nachtwäsche trug. Sein Körper warf einen dünnen, unbekleideten Schatten auf die Rückwand. Für Schamhaftigkeit blieb keine Zeit, und so kämpfte er sich hoch, nur um mit schwachen Beinen neben dem Bett zusammenzubrechen. Er warf einen Blick zum Fenster hinüber, hoffte, dass sein Sturz leise gewesen war, und lauschte auf das Näherkommen des Fremden.
Stille.
Er blickte sich um, suchte nach einer Waffe und entdeckte Sutter, der genauso nackt wie Tahn unter seinem eigenen Bett steckte, zitterte und sich mit weit aufgerissenen Augen umsah.
Tahn kroch über das harte, kalte Holz, um sich seinen Mantel zu holen. Er vergaß seinen Bogen und huschte auf Sutter zu, der sich noch weiter unter sein Bett zurückzog, als Tahn sich ihm näherte.
»Ich bin’s«, sagte Tahn. In Sutters Augen stand kein Wiedererkennen. Er fasste sich an die Brust, und seine Blicke huschten zwischen dem Fenster und Tahn hin und her. Der Schmutz auf dem Boden schürfte Tahn Knie und Handflächen auf, aber er legte sich auf den Bauch und kroch unter das Bett. Sutter rückte bis an die Wand zurück und sah hin und her wie ein Frettchen. »Zieh den an«, sagte Tahn und streckte Sutter den Umhang hin. Sutter schien ihn gar nicht zu hören.
Das Abrollen eines Stiefelabsatzes und dann der Sohle auf hartem Boden ertönte erneut. Tahn glaubte, dass es diesmal aus weiterer Ferne kam, aber vielleicht lag das nur daran, dass er sich jetzt unter dem Bett befand. Er setzte sich am Ende über Sutters nervösen Blick hinweg und drängte sich vorwärts. Sein Freund schien damit zu rechnen, dass Tahn eine Klinge zücken und ihm die Kehle aufschlitzen würde. Tahn legte den Umhang um Sutter und rückte nahe an ihn heran. »Was ist los?«
Doch Sutter konnte immer noch nichts tun, als sich umzusehen und weiter wild mit den Augen zu rollen.
Tahn packte seinen Freund am Arm und schüttelte ihn. »Sag schon.«
Sutter kam zu sich, als hätte er geschlafen. Er sah Tahn verblüfft an, dann das Bett und richtete die Augen schließlich auf das Mondlicht, das in einem länglichen Rechteck durchs Fenster einfiel. »Ich habe es gesehen«, sagte er.
Tahn wollte ihn gerade weiter ausfragen, als wieder das Geräusch von Stiefelabsätzen ertönte. Die Luft war plötzlich kälter geworden.
Tahn lauschte mehrere Augenblicke
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