Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
Feuersteinzylinder und hielt eine Öllampe an die Flamme. Er zog an seinem Tabakkraut, bis es brannte, stand dann da und sog den süßlichen Rauch tief ein.
»Wir sind beinahe fertig, Ihr und ich.« Er klang wie ein Kaufmann, der eine geschäftliche Abmachung beschrieb.
Wendra roch den Rauch in der Luft und beobachtete, wie er silbrig und traumgleich im Mondschein aufstieg. Sie erinnerte sich daran, wie Balatin sich die Pfeife angezündet hatte, an den leichten Seifen- und Tabakkrautduft seines Barts und seiner Ärmel, wenn er sie an seine Brust gezogen und sich im Schatten ihrer Veranda auf dem Schaukelstuhl zurückgelehnt hatte. Vor hundert Minderen Zyklen hätten diese Nacht, dieser Mond und dieser Rauch etwas ganz anderes bedeutet. Heute jedoch besudelten sie ihre Erinnerungen und bestanden eher aus bitterem, kaltem Harz als aus süßem, warmem Blatt.
Sie zog ihr Pergament aus der Tasche und vollzog die anmutigen Federstriche nach, während sie an ihre Melodie zurückdachte. Ohne von der Seite aufzusehen, sagte sie: »Ich kann nur annehmen, dass wir sterben werden, Wegelagerer .« Sie sprach die abschätzige Bezeichnung mit aller Verachtung aus, die ihr zu Gebote stand. »Entweder körperlich oder geistig, aber ganz gleich, welchen Handel Ihr in diesem entlegenen Tal betreibt, er soll wohl geheim bleiben. Eine Abmachung, die Ihr mit Männern habt, die sich abseits der Straße wohler fühlen. Ich komme mit, um den Jungen zu trösten, sonst hättet Ihr mich schon längst töten müssen, um meinen Gehorsam zu erzwingen.«
»Seid Ihr sicher, dass Ihr Toyl nie gelesen habt?« Sie konnte sein sarkastisches Lächeln in der Dunkelheit spüren. »Ihr sprecht ganz so, wie er geschrieben hat – solch eine ungeschminkte Wahrheit! Aber Ihr habt wahrhaftig einen unwahrscheinlichen Ausgang dieser Sache im Sinn.« Er rieb sich eine Wange. »Gleichgültig, ich werde Euch nicht überzeugen. Ihr werdet es erfahren, wenn Ihr es eben erfahrt. Nicht, dass Ihr dann glücklicher sein werdet, aber Ihr seid widerstandsfähig, Teuerste, weitaus zäher, als ich es vermutet hätte, als ich Euch damals auf der Suche nach dem Jungen getroffen habe. Und er ist ein guter Kerl.«
»Ihr verlasst Euch allzu sehr auf Euren Einfluss auf mich, Wegelagerer.«
Diesmal zeigte Jastail seinen Ärger über die Beschimpfung. »Heißt das, dass Ihr, wenn Ihr ihn für Euch verloren glauben würdet, allein in diese Hügel fliehen und ihn im Stich lassen würdet?« Jastail lachte leise, nahm einen tiefen Zug Tabakkraut und atmete den süß duftenden Rauch aus, während er fortfuhr: »Eine schwache Drohung, meine Dame. Ich weiß mehr über Euch, als Euch vielleicht bewusst ist. Ich habe es einfach dadurch herausgefunden, dass ich Euch Gesellschaft geleistet habe, und was ich weiß, sagt mir, dass Ihr in der Nähe des Jungen bleiben werdet, bis Ihr nicht mehr in der Lage seid, es zu tun. Ihr hasst mich, weil das Kind mich bewundert und ich es dazu ermuntert habe, aber das ist mir wirklich völlig gleichgültig.«
Seine aalglatten Worte und sein unbekümmertes Auftreten, während er rauchte und das Licht des zunehmenden Mondes betrachtete, ärgerten Wendra wie nichts anderes zuvor. Sie wollte ihm sagen, dass sie versuchen würde, ihn zu töten. Sie sehnte sich danach, seine Kehle zu packen und seinen Kopf in den Boden zu rammen. Die Bilder keimten in ihrem Kopf auf und brachten Melodiefetzen mit, die ihr Herz erkalten ließen.
»Nichts zu sagen?«, spottete Jastail. »Oh weh, was kann das bedeuten?« Er zog wieder an seinem Tabakkraut. »Ich habe dem Jungen ein Bett gegeben. Er wird all seine Kraft brauchen, um die Enthüllungen zu verarbeiten, die der morgige Tag ihm bringen wird. Ihr solltet ebenfalls schlafen.«
Wendra sagte nichts und rührte sich nicht. Sie sah nur wieder ihr Pergament an und ging im Geiste ihr Lied durch.
Sie war so in den innerlichen Klang versunken, dass sie gar nicht bemerkte, wie der Wegelagerer an sie herantrat. Plötzlich stand er sehr nahe bei ihr und bückte sich ein wenig, um die Seite anzustarren, die sie in den Fingern hielt. Seine Lippen verzogen sich im hellen Mondschein zu einem verächtlichen Lächeln. »Anscheinend haben wir beide unsere Lieblingsdichter. Eurer ist ein Ta’Opin, der einen Wagen voll nutzloser Artefakte fährt.« Ein leises Lachen entschlüpfte ihm. »Seht Ihr, selbst jetzt bin ich nicht unfreundlich. Ein kleinlicher Schuft würde Euch das Lied aus den Händen reißen, um Euch die Ablenkung zu
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