Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
es den Launen einer Welt zu überlassen, die es nicht verstehen konnte. Seine Hand tastete instinktiv nach seinem Schwert, als wollte sie seine Bereitschaft bekräftigen, sich gegen solche Dinge einzusetzen, während er in Gedanken nach alten Geschichten suchte, die A’Posian an ihn weitergegeben hatte, um etwas zu finden, das diese fürchterliche Gräueltat ein wenig verständlicher machen könnte. Aber es gab nichts, und er stand einfach da und starrte den Pflegevater an, der um ein Kind trauerte, das er nie gekannt hatte.
Mira ging zu der Schlange und kniete sich hin, um sie in Augenschein zu nehmen. Sie tauschte einen wissenden Blick mit Vendanji. »Eine Hostah«, sagte sie. »Keine Schlange, die aus dem Mal stammt. Man findet sie eigentlich nicht südlich der Bahrenberge … es sei denn, jemand hätte sie hergebracht.«
»Was sagst du da?«, fragte Braethen, obwohl er sich der Antwort schon sicher war.
»Die Schlange wurde von Stilletreuen in den Baum gelegt.« Mira stand auf und beförderte die Schlange mit einem Stiefeltritt beiseite.
Grant drehte sich um und warf einen Blick auf die Sonne, die tief am östlichen Himmel stand. »Wir sind nicht zu spät dran, nicht mehr als eine halbe Sanduhr.« Sein Tonfall war fragend, aber zugleich resigniert. »Heute ist der festgesetzte Tag, die übliche Stunde. Das Kind ist kalt.« Er zog die Decke um die Schultern des Säuglings, als wollte er ihn wärmen.
»Es ist das Gift«, sagte Vendanji. »Die Hostah ist eine im Born gezeugte Seitenwinderschlange. Ihr Biss raubt Leben, um die Bestie selbst zu stärken.«
»Warum sollten sie das tun?«, fragte Braethen. »Ich dachte, die Stilletreuen hätten es auf das Leben um seiner selbst willen abgesehen. Hätten sie das Kind nicht eher entführt?«
»Die Stille sucht Forsa in jeglicher Form, aber in einem Säugling ist sie auf etwas ganz Besonderes erpicht«, erläuterte Vendanji, sprach aber an Grant gerichtet.
Grant sah starr zu dem Sheson auf, und mit diesem Blick wurde ein Geheimnis zwischen ihnen ausgetauscht.
»Es ist eine Warnung«, fuhr Vendanji fort und trat näher heran, um auf das Kind hinabzusehen. »Die Eltern des Kindes hätten die Wiege sicher gereinigt, bevor sie das Kind hineingelegt hätten. Nein. Die Schlange wurde hineingelegt, nachdem die Eltern des Kindes gegangen waren, und das Kind wurde dir als Zeichen hinterlassen.«
»Sie irren sich, wenn sie glauben, dass der Tod eines Kindes mich aufhalten wird.« Grant blickte beiseite in die gewaltige Leere des Mals, und ein entschlossener Ausdruck trat auf sein faltiges, sonnengebräuntes Gesicht.
»Es geht ihnen nicht darum, dich dabei zu stören, dich um deine neuen Mündel zu kümmern«, sagte Vendanji. »Sie werden versuchen, dich zu vernichten, wenn du ihnen nicht dabei nützen kannst zu bekommen, was sie begehren.«
»Und was ist das?«, fragte Braethen mit einem gereizten Unterton in der Stimme. All die heimlichen Gespräche und alten Verbindungen machten den Austausch des Sheson mit dem Verbannten unverständlich. Braethen kam sich wie ein Dorftrottel vor, der aus einer Unterhaltung zwischen bedeutenden Männern und Frauen ausgeschlossen wurde.
Vendanji sah ihn an, antwortete aber nicht, während Mira auf die Hügelkuppe stieg und auf ihre Fährte zurückblickte. Sie kehrte rasch zurück und schüttelte den Kopf – niemand verfolgte sie.
Grant betrachtete das Kind ein letztes Mal, und sein geduldiger, steter Blick zeigte, dass er sich damit abfand, dass hier ein Zyklus zu Ende gegangen war, wenn auch verfrüht. Dann reichte der Verbannte das Kind sanft an Mira weiter, damit sie es hielt, während er ein Grab auszuheben begann. Braethen sah zu, wie Vendanji sich neben Grant kniete und die beiden Männer stumm gemeinsam gruben. Unter dem abgestorbenen Baum schaufelten sie die unfruchtbare Erde beiseite, die zur letzten Ruhestätte des Kindes werden sollte. Braethen schloss sich ihnen an und zog sein Schwert, um den harten Boden aufzubrechen. Vendanji sah ihn zwar einmal an, als er das Schwert dieser neuen Verwendung zuführte, aber der Sheson schien einverstanden zu sein, und Braethens Herz freute sich, dem winzigen Leben zumindest auf diese Art Ehre erweisen zu können.
Während die drei Männer auf die Erde einstachen, um ein Grab zu schaufeln, sah Mira auf das Kind in ihren Armen hinab. Sie zog es nahe an sich, während mütterliche und bekümmerte Gefühle zugleich in stummen Wellen über sie hinwegbrandeten. Das Gesicht des Säuglings
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