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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wahr, an der Reise teilzunehmen. Onkel Johann hatte allerdings durchgesetzt, daß sämtliche Auslagen – also auch die für Paul – aus seiner Tasche bestritten wurden. Dagegen war zwar Protest eingelegt worden, am heftigsten von Erna, aber Onkel Johann hatte darüber nur gelacht.
    Am Samstag früh ging's los. Der Zug fuhr schon sehr zeitig und traf mittags in München ein. Dort passierte dann gleich etwas, mit dem keiner der vier gerechnet hatte, obwohl es gar nicht so abwegig war. Sie hatten noch keine Eintrittskarten ins Olympiastadion, wandten sich an den nächsten Auskunftsbeamten im Bahnhof und fragten ihn, wo Karten zu haben seien.
    »Welche Karten?« antwortete der Mann mit freundlichem Lächeln.
    »Zum heutigen Fußballspiel.«
    »Zu Bayern - HSV?«
    »Ja«, nickten alle vier aus Rheinstadt.
    Die Miene des Beamten wurde bedenklich.
    »Da sehe ich schwarz.«
    »Wieso?« fragte Paul.
    »Das Spiel ist seit Tagen restlos ausverkauft. Im Radio haben sie schon zehnmal durchgegeben, daß es keinen Zweck hat, den Verkaufsstellen noch die Türen einzurennen.«
    Karl und Willi standen da wie gelähmt. Das Blut wollte ihnen in den Adern gerinnen.
    »Ich habe auch keine mehr gekriegt«, seufzte der Auskunftsbeamte.
    Den beiden Jungen stiegen schon die Tränen in die Augen, als Onkel Johann den Beamten beiseite nahm und ihn mit unterdrückter Stimme fragte: »Wo sind welche schwarz zu haben? Ich zahle jeden Preis.«
    »Jeden?«
    »Jeden sage ich!«
    »Sitz- oder Stehplätze?«
    »Vier Sitzplätze.«
    Der Beamte nestelte in seiner Tasche, wobei er sagte: »Zufällig hätte ich noch vier Stück …«
    »Sie!« stieß Onkel Johann nun doch etwas überrascht hervor.
    Für sich selbst könne er sich eine solche Karte nicht leisten, entgegnete der Beamte. So gesehen, sei das schon richtig, was er gesagt habe.
    »Was kosten sie?« fragte Johann.
    Er verdiene keine Mark daran und erweise den Leuten nur einen Gefallen, beteuerte der Beamte, da er seit Jahren immer wieder das gleiche erlebe und um Karten angegangen werde.
    »Was kosten sie?« fragte Johann noch einmal.
    »Haupttribüne?«
    »Ja.«
    »Das Stück dreihundert Mark. Das ist der Selbstkostenpreis.«
    »Geben Sie mir vier!«
    Karten und Geld wechselten ihre Besitzer, wobei Onkel Johann noch sagte: »Ich kann mich darauf verlassen, daß sie nicht gefälscht sind?«
    Die Antwort lautete: »Aber Sie sehen doch, wer ich bin – ein Beamter!«
    Das Blut in den Adern von Karl und Willi konnte wieder frei fließen. Ihre Bewunderung für ihren Großonkel kannte keine Grenzen mehr. Vater Paul allerdings erklärte, daß er das als Wahnsinn empfinde, was hier geschehen sei. Auf keinen Fall dürfte davon zu Hause etwas erzählt werden. Seine Frau würde ihn dafür verantwortlich machen, daß er sich keine Mühe gegeben habe, den Onkel zur Vernunft zu bringen.
    Johnny lachte zu allem. Beim Mittagessen im Mathäserbräu, einer Großgaststätte in Bahnhofsnähe, brachten die Jungens vor Aufregung kaum mehr einen Bissen hinunter. Sie sprachen nur noch vom Spiel, redeten sich die Köpfe heiß, stritten. Karl ließ auf seine Hamburger nichts kommen, Willi nichts auf die Bayern.
    Ganz so aufgeregt waren Paul und Johann nicht. Sie bestellten eine bayerische Spezialität – Schweinshax'n mit Kartoffelknödel und Sauerkraut – und ließen es sich schmecken. Nur geteilten Beifall fand allerdings das weltberühmte Münchner Bier. Johann lobte es in den höchsten Tönen; Paul sagte, daß es ihm zu schwach sei. Er war eben das wesentlich stärkere Gebräu gewöhnt, das an Rhein und Ruhr zum Ausschank kommt.
    Beide, Johann und Paul, waren zum erstenmal in ihrem Leben in München, das die bekannteste deutsche Stadt in Amerika sei, erzählte Johann. Und wiederum die bekannteste Errungenschaft von München selbst sei natürlich das Hofbräuhaus.
    »Wir werden es uns deshalb ansehen«, gab Johann am Tisch bekannt.
    »Wann?« fragte Paul.
    »Heute abend.«
    »Unser Zug geht vor acht Uhr.«
    »Morgen fährt auch noch einer«, grinste Onkel Johann.
    »Und Erna? Die wartet auf uns!«
    »Wir rufen sie an und sagen ihr, daß wir den Zug versäumt haben.« Johann blickte die Jungen an. »Es sei denn, ihr habt sosehr Heimweh nach eurer Mammi, daß ihr die Trennung von ihr bis morgen nicht aushalten könnt?«
    Eine Art Indianergeheul ertönte, angestimmt von dem Brüderpaar. Wenn Mutter Erna das gehört hätte, wäre sie sehr enttäuscht gewesen.
    »Aber wir haben doch gar nichts dabei«, gab Vater Paul

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