Das Gift der alten Heimat
dich einseifen will?«
»Nein«, widersprach ihm Onkel Johann scheinheilig, »das will ich nicht, Paul. Es geht momentan um das, was du gesagt hast.« Er zuckte die Achseln. »Du hast selbst davon angefangen.«
Und schon war der arme Paul in die Defensive gedrängt.
»Ich habe das so gemeint«, sagte er, »daß du bei Erna mit Dingern, die so teuer sind, keinen Anklang finden wirst. Etwas anderes wäre das mit einer Schachtel Pralinen als Mitbringsel gewesen, dachte ich.«
»Dachtest du?«
»Ja.« Paul wandte sich an Erna. »Und damit hätte ich ja wohl auch recht gehabt, nicht?«
»Was hat denn die Kette gekostet?« fragte ihn Erna.
»Das weiß ich nicht, ich war beim Kauf nicht dabei. Und sagen tut er es ja nicht.«
Erna blickte Onkel Johann an.
»Warum nicht?«
»Weil sie ein Geschenk ist«, lächelte er.
»Aber es wäre doch ganz einfach für mich, das rauszukriegen.«
»Wie denn?«
»Du mußt eine Rechnung haben …«
»Sicher.«
»Und an die käme ich, wenn ich wollte, leicht ran.«
»So?«
»Ohne Rechnung kein Umtausch.«
»Das stimmt«, packte Onkel Johann zu, brachte seine Brieftasche zum Vorschein, entnahm ihr die Rechnung und drückte sie Erna in die Hand. »Da hast du sie, es geht nicht anders. Die Frist ist ein Monat. Für mich ist der Fall damit erledigt.«
Erna warf einen Blick auf die Rechnung und prallte schier zurück. Der Zettel entglitt ihren Fingern und flatterte auf den Boden.
»Über elf… elftausend Mark«, stammelte sie.
»Elftausend Mark?!« rief Paul.
Erna öffnete wie unter einem magischen Zwang noch einmal das Lederschächtelchen und versenkte sich in den Anblick seines Inhalts. Der sanfte Schimmer der Perlen wurde nun mit jeder Sekunde noch verführerischer, bis er sich zur absoluten Unwiderstehlichkeit gesteigert hatte, wenn Erna sich das auch noch nicht eingestehen wollte.
Paul hob den Zettel vom Boden auf, um sich zu vergewissern, daß das, was er gehört hatte, stimmte.
»Elftausendeinhundertfünfzig Mark«, las er ab. »Elftausend … einhundertfünfzig … Mark!« Er schüttelte den Kopf. »Wahnsinn!«
Erna ließ die Perlen durch die Finger gleiten, wobei sie flüsterte: »Sind sie nicht herrlich?«
»Elftausendeinhundertfünfzig Mark«, stöhnte Paul noch einmal. »Das wäre das Dach für meine neue Halle.«
»Fang mir jetzt nicht damit an!« entfuhr es Erna.
Onkel Johann amüsierte sich.
»Was magst du an der Kette nicht?« fragte er Erna. »Den Saphir?«
»Er ist fantastisch!« antwortete Erna, ihre verklärten Augen auf den Saphir heftend.
»Die Brillanten?«
»Sie sind wunderschön!«
»Dann müssen es doch die Perlen sein?«
»Aber nein, die sind das Allerschönste!«
»Warum denkst du dann an einen Umtausch?«
»Nicht im entferntesten würde ich an den denken!« rief Erna.
»Was heißt ›würde‹?« fragte Onkel Johann. »Willst du sie umtauschen oder nicht? Wozu brauchst du sonst die Rechnung?«
Seufzend errötete Erna.
»Ich wollte den Preis sehen.«
»Mehr nicht?«
Mit unmenschlicher Selbstüberwindung erwiderte Erna: »Nein.«
»Dann gib her!« Mit düsterer Miene nahm Johann die Schachtel mit der Perlenkette Erna aus der Hand, ging zum Fenster und schickte sich an, es zu öffnen.
»Was tust du da?« rief Erna.
»Ich werfe das Ding auf die Straße. Vielleicht findet es jemand, der klüger ist als du.«
Erna brachte vor Schreck kein Wort mehr heraus.
»Der macht das!« rief Paul seiner Frau zu. »Der ist so verrückt!«
»Das ist in Amerika so üblich, wenn ein Geschenk zurückgewiesen wird«, log Onkel Johann und zog das Fenster weit auf.
Ein schriller Schrei Ernas: »Nein!!«
»Na also«, sagte Johann lakonisch, wandte sich vom Fenster ab und schob die Schachtel Erna wieder in die Hand. »Warum nicht gleich?«
Dann ging er zur Tür, um das Zimmer zu verlassen, wobei er bekanntgab, daß er sich ein bißchen hinlegen wolle, da er von der Reise in Anbetracht seines Alters ziemlich müde sei. Wenn man ihm einen Gefallen erweisen wolle, möge man ihm zum Abendessen eine frische Bratwurst auftischen. »Aber nein«, besann er sich, »heute ist ja Sonntag, der Metzger hat zu. Dann irgend etwas anderes …«
Paul und Erna blickten ihm nach, die Tür fiel hinter ihm zu.
Erna stand da, die Schachtel mit den Perlen an ihr Herz gedrückt.
»Hast du gehört?« fragte sie Paul.
»Was?«
»Er will eine frische Bratwurst. Ich verlasse mich jetzt ganz auf dich.«
»Was heißt das? Ihm ist doch selbst auch noch eingefallen, daß
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