Das Gift der Drachen Drachen3
Waivia wollte dieselbe Macht und denselben Wohlstand für ihren Sohn. Natürlich war das eine reine Spekulation, erdacht von einem schockierten und erschöpften Hirn. Aber ich kannte Waivia. Ich kannte ihre Entschlossenheit, ihre geistigen Fähigkeiten und den unzähmbaren Überlebenswillen, der von der grausamen Djimbi-Feindlichkeit, die man ihr als Kind entgegengebracht hatte, verschärft, wenn nicht sogar erzeugt worden war.
»Du begleitest mich zum Hauptquartier«, erklärte Malaban Bri, während er den Schauplatz der Verwüstung und die Rishi musterte, die wieder Ordnung herzustellen versuchten. Es war kurz nach Tagesanbruch. Der Messerträger näherte sich mit einem der beiden Escoas, die beim Auftauchen des Himmelswächters in Panik davongelaufen waren, gefesselt und mit gesicherten Schwingen. Malaban Bri und ich standen nebeneinander, rußverschmiert und mit Stroh und Jutefetzen bedeckt. Die Feuer im Lagerhaus loderten immer noch. Dafür hatte Malaban gesorgt. Er hatte nach dem Verschwinden des Himmelswächters die Erhaltung der Feuer zur wichtigsten Aufgabe erklärt, damit die wenigen unbeschädigten Kokons genügend Hitze bekamen.
»Zarq?«
»Ich habe es gehört.«
Ich blickte zu Savga hinab, die mich mit ihrem mitgenommenen Gesicht und ihren wilden Augen ansah.
»Bleib bei deiner Mutter, kleine Ameise«, murmelte ich, legte sanft meine rußige Hand auf ihren Rücken und schob sie von mir weg. Ich weigerte mich, an Fwipi zu denken, daran, wie sie ausgesehen hatte, als ich sie fand. Ihr Gesicht war blutverschmiert gewesen, und ihr Kopf lag in einem unmöglichen Winkel zum restlichen Körper. Ihr Genick war gebrochen. Kinder sollten so etwas nicht mit ansehen. Aber sie tun es. Sie müssen es. »Ich komme zurück. Versprochen.«
Mit hochgezogenen Schultern ging Savga ein Stück zurück und drehte sich dann um. Sie sah zu, wie ich die Escoa bestieg.
Malaban und ich flogen los, zu der Tempelanlage im Zentrum der Brutstätte.
Wir landeten im Hof der Botenstallungen, und ich blickte instinktiv in die dunklen Ecken in der Erwartung, Inquisitoren zu sehen. Nervös und erschöpft, ausgelaugt von dem Bild von Fwipis zertrümmertem Gesicht, das ständig vor meinen Augen auftauchte, folgte ich Malaban Bri schweigend in den früheren »Bienenkorb« von Xxamer Zu, die Kammern, in denen der Höchste Heilige Tempelvorsteher der Brutstätte die kostbaren Abschriften der Tempelschriftrollen in den sechseckigen Fächern aufbewahrt hatte, die von der Decke bis zum Boden reichten. In den Geruch von Tinte, Weihrauch und altem Pergament mischte sich der beißende Gestank von Tabak.
Rutgar Re Ghepp, der frühere Lupini Xxamer Zu, saß unter den grimmigen Männern, die Malaban Bri und mich erwarteten. Ghepp wirkte fast ebenso heruntergekommen wie wir.
Sein Seidenhemd sah aus, als hätte er darin geschlafen. Er war abgemagert und übermüdet. Aber er war immer noch ein schöner Mann und saß zwischen seinen Häschern, als wäre er einer von ihnen. Ich sah noch einmal genauer hin. Er war es tatsächlich! Die Befreiung seiner Brutstätte durch die Myazedo schien sich zu seinem Vorteil ausgewirkt zu haben. Dank meiner Forderung, Ghepp am Leben zu lassen, damit er mit seinem Bruder verhandeln konnte, war er immer noch eine Schlüsselfigur, umringt von anderen mächtigen Männern. Nur waren jetzt diese anderen für das Wohlergehen der Brutstätte verantwortlich, und er trug nicht mehr allein die Last, schwierige Entscheidungen treffen zu müssen.
Er betrachtete mich mit kaum verhüllter Feindseligkeit und beugte sich vor. Ein Muskel in seiner wie gemeißelt wirkenden Wange zuckte. Er erinnerte mich an einen Pfeil auf einer gespannten Bogensehne.
Malaban Bri fasste kurz die Ereignisse der Nacht zusammen, einschließlich seiner Begegnung mit den Kwembibi Shafwai. Er berichtete von der Forderung des Stammes und stellte anschließend mich vor. Er gab einen kurzen Überblick über das, was er von mir wusste. Es war eine weit knappere Zusammenfassung meines Lebens, als ich sie dem Messerträger und Tansan gegeben hatte. Bis auf Malaban Bri und Ghepp kannte ich keinen in der Runde. Ich trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen, dachte an Fwipi, an Savga, schob die Gedanken wieder von mir.
Ein makellos in lavendelfarbene Seide gekleideter Bayen unterbrach Malaban. »Diese Rishi hier vor uns ist Zarq, die Ausgeburt?«
»Das ist einer der Namen, unter denen sie bekannt ist«, erwiderte Malaban ungerührt. »Mir wurde sie als
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