Das Gift der Drachen Drachen3
uns alle. Es ist besser, solche Gedanken für sich zu behalten, heho!«
Einige ältere Frauen murmelten zustimmend, und dann sprach niemand mehr mit mir, bis zwei Frauen ein Brett mit Kadoob-Knollen herantrugen, die sie frisch aus der Glut geholt hatten und die als Speise dienten.
Statt sich einen Platz am Rand des Kreises der sitzenden Männer zu suchen, saßen die Frauen und Kinder des Arbiyesku neben ihnen. Statt zu warten, bis die Männer sich satt gegessen hatten, bevor sie selbst die Nahrung berührten, aßen Frauen und Kinder zur gleichen Zeit wie sie. Ein solches Verhalten war höchst unschicklich. Aber ich begrüßte es. Die Sitte, dass Frauen und Kinder zuletzt essen mussten, hatte ich schon immer verabscheut.
Ich jedoch aß nicht. Eine steingroße Kadoob-Knolle, rußig und mit schrumpeliger Schale, lag unbeachtet auf meinem Schoß, während ich erschöpft und schmerzerfüllt ins Leere starrte. Neben mir wechselte Fwipi einige Worte mit einem alten Mann. Sie unterhielten sich auf Djimbi.
Dann sprach sie mich wieder an. Ihre faulen Zähne schimmerten auf wie schwarze Käfer. »Du siehst morgen nur zu. Du bist weit gereist, heho, und du bist müde. Morgen siehst du nur zu.«
Der Alte neben ihr nickte und strahlte zustimmend. Sein Gaumen war so zahnlos wie der eines Neugeborenen.
Fwipi legte ihre trockene Hand auf meinen Arm und blickte zu dem Drachenmeister hinüber, der gerade zu uns kam. »Fürchte ihn jetzt nicht mehr. Du tust, was der Clan für angemessen hält. Wir beschützen dich, ja?«
Sie dachte, ich wäre von meinem Gebieter so zugerichtet worden. Ich knirschte mit den Zähnen und zwang mich dazu, mich wie eine dankbare, unterwürfige Frau zu benehmen. »Danke«, murmelte ich mit niedergeschlagenen Augen.
Der alte Mann hielt mir plötzlich etwas hin, etwas Trockenes, Verdrehtes, von der Farbe gebleichter Knochen. Eine Maska-Wurzel. Er sagte etwas auf Djimbi, und auch wenn ich ihn nicht verstand, war klar, was er meinte. Iss.
»Danke«, wiederholte ich. Diesmal jedoch klang mein Dank aufrichtiger. Ich nahm die kostbare Wurzel, schälte sie rasch mit den Zähnen und kaute sie. Sie schmeckte wie Galle.
Alle anderen aßen ebenfalls. Die dickbäuchigen Kinder mit ihren dürren Armen und Beinen fassten langsam den Mut, sich mir zu nähern. Schließlich versammelten sie sich in unverhohlener Neugier vor mir in einem Halbkreis. Eines der Kinder räusperte sich, ein knapp sechs Jahre altes Mädchen mit Augen in der Farbe von Schlehen, einer Haut wie mit Honig bestrichenem Kuchen, von kleinen, hellgrünen Flecken überzogen.
»In welchem Clan warst du vorher?«, wollte sie wissen.
»Ich gehörte dem Hatagin Komikon, keinem Clan.« Mir war sehr bewusst, dass alle auf meine Antwort warteten.
»Ist dein Gebieter verrückt?«
Ich unterdrückte das überstürzte Ja, das mir auf der Zunge lag, und antwortete mit so viel Demut, wie ich aufbringen konnte: »Er wirkt manchmal verrückt und verhält sich auch manchmal so. Vielleicht ist er also tatsächlich verrückt, hm?«
»Was ist mit deinen Augen los?«
»Als Kind war ich sehr krank. Diese Krankheit hat sie gezeichnet.«
»Hat die Krankheit auch die Farbe deiner Haut verändert?«
Wie ungewöhnlich, dass ich wegen meiner Hautfarbe als anders empfunden wurde. Daran war ich nicht gewöhnt. Ich antwortete bedächtig: »Da, wo ich herkomme, sehen die meisten Rishi aus wie ich. Aosogi nennen es manche, obwohl die Bayen, welche dieselbe Farbe haben, ihre Haut gern heller und fa-pim machen, indem sie die Farbe rehbraun nennen.«
»Fa-pim, pah! Wer will schon wie der Imperator sein? Bayen sind Dotterhirne!«
Fwipi schnalzte tadelnd mit der Zunge, aber das Mädchen ignorierte sie und hockte sich neben mich. Sie musterte mich einen Moment und deutete dann auf das verschlissene Kleid an ihrem Körper.
»Das ist ein Yungshmi.« Sie sprach übertrieben deutlich, als käme ich aus dem Norden und spräche nur Xxeltekisch. »Yungshmi! Yungshmi. Du solltest dich nicht in diesem hässlichen Sack verstecken, nein, nein!«
»Ich trage lieber meinen Bitoo«, antwortete ich. Meine Lippen waren bereits gefühllos von der Wurzel, die ich kaute, und die Schmerzen in meiner Brust wurden schwächer und dumpf.
Sie schüttelte den Kopf, als wäre ich einfältig.
»Yungshmi«, verkündete sie langsam und deutlich. »Ich helfe dir, einen Yungshmi anzuziehen.«
Sie beugte sich vor und berührte scheu meine Hand. Ihre Zähne waren noch nicht angeschlagen und faul von den
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