Das Gift der Drachen Drachen3
wieder über den Kopf gezogen, hätten meine schmerzenden Rippen nicht meine Bewegungsfreiheit und Reaktionsschnelligkeit eingeschränkt. Also begnügte ich mich stattdessen damit, Tansan wütend mit meinem Blick zu durchbohren. Sie ignorierte meine Feindseligkeit und betrachtete mich prüfend. Unter ihrem Blick kam ich mir vor wie ein Jährling, der vor dem Verkauf untersucht wird.
Über meinen Hals lief eine dicke Narbe von der linken Wange bis zu meinem Schlüsselbein – ein Andenken an eine Drachenzunge während meiner Zeit in den Stallungen des Drachenmeisters von Brut Re. Mein schwarzes Haar hatte ich mir kurz geschnitten wie ein Junge, damit ich beim Kampf in der Arena besser sehen konnte. Meine Augen waren blutunterlaufen, meine schwarzen Pupillen weiß marmoriert von meinem früheren Missbrauch des Drachengiftes. Es gab keinen Zentimeter auf meiner Haut, der nicht von Prellungen, Narben, Striemen oder eitrigen Kratzern überzogen war, allesamt Verletzungen, die ich in der Arena davongetragen hatte.
Die Wärme von Tansans Busen drang in meine Brüste und stieg mir in den Hals. Der Drachenmeister folgte einer Gruppe von Männern zu einer Männer-Hütte des Arbiyesku, um dort noch einmal angemessen begrüßt zu werden.
»Du hast ein Debu-Leben geführt«, verkündete Tansan. Die Umstehenden akzeptierten ihre Beobachtung mit ruhigem Nicken.
Debu. Ein verächtliches Wort der Djimbi für verflucht . Meine Mutter hatte es in meiner Kindheit benutzt.
Wie gern hätte ich Tansan ihre Überlegenheit aus dem Gesicht geschlagen. Wer war sie denn, unschicklich gekleidet und dazu in Gewänder, die so verschlissen waren, dass man fast durch sie hindurchblicken konnte? Wie konnte sie es wagen, mein Leben verflucht zu schimpfen? Wie konnte sie sich erdreisten, umringt von Kind und Kegel, weit weg von dem Wahnsinn der Arena, geborgen in dieser armen, entlegenen Brutstätte, mein Leben als verdammt zu bezeichnen?
Sie drehte sich auf dem Absatz herum, die Arme entspannt an den Seiten, ihrer Körperhaltung nach vollkommen gelassen, und ging davon. Jemand berührte mich am Handgelenk. Es war eine alte Frau, die ein Baby in einer Schlinge trug. Die Flecken auf der lehmbraunen Haut der Frau hatten die Farbe feuchten Heus und ihre Augen die von Nacktschnecken. Lippen und Zunge waren schwarz von Slii-Kernen.
»Komm, ja, komm, wir geben dir Essen und Wasser.«
Die Frauen, die mich umringten, waren so gnädig, keine Bemerkungen über meinen schlurfenden Gang zu machen. Tansan vor uns ging hoch aufgerichtet und mit wiegenden Hüften zu der hölzernen Treppe eines Langhauses, das auf Bambuspfählen stand und mit Stricken zusammengehalten wurde: das Frauenhaus. Sie ging mit derselben lasziven Geschmeidigkeit wie meine Schwester Waivia.
Dann ließ sie sich auf den Stufen des Langhauses nieder, und die Alte mit den Schneckenaugen reichte ihr das Baby in der Schlinge.
»Setz dich hierhin«, murmelte eine andere Frau. »Iss mit uns zu Abend. Du bist hungrig und durstig, ja?«
Mühsam ließ ich mich auf den Boden herunter, ohne dass es mir gelang, den Schmerz zu verbergen, den ich dabei empfand. Einige Frauen hockten sich um mich herum und starrten mich an, während sich ihre Kinder neben ihnen drängelten.
Die alte Frau mit den Schneckenaugen kam wieder zurück und hockte sich vor mich hin. Sie schlug sich mit dem Daumen auf ihre knochige Brust; es klang fast so, als hätte man mit einem Knöchel auf einen unreifen Kürbis geklopft. »Ich bin Fwipi. Und du?«
»Ich bin die Wai Roidan Yin des Hatagin Komikon«, murmelte ich.
»Nein, nicht gut, das ist nicht gut. Dein Name, ein Name.«
»Das ist mein Name.«
»Haaa! Das ist nur ein Titel! Du hast keinen Namen?«
»Kazonvia.« Das war keine ausgesprochene Lüge, denn schließlich war ich die zweitgeborene Tochter.
Fwipi verzog das Gesicht. »Dein Name ist Zweite Tochter? Ein hohler Name, ein Name nach der Sitte des Imperators. Magst du seine Sitten?«
Diese Frage war sehr ärgerlich. Ebenso aufreizend wie die wachsende Menge der Männer, die sich jetzt zu uns gesellten, nachdem sie den Drachenmeister in die Lehmhütte begleitet hatten. Ich musste schlafen, konnte nicht klar denken.
»Der Imperator ist ein Despot!«, fuhr ich sie an. »Er ist nicht mal meine Pisse wert!«
Fwipi sog scharf die Luft ein. Und einige Frauen wechselten vielsagende Blicke.
»Leute, die solche Dinge sagen, verlieren schnell Finger oder Zunge«, tadelte mich Fwipi. »Ein solcher Verrat gefährdet
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