Das Gift der Drachen Drachen3
mich auf ihren kleinen Körper stützte. Nachdem ich in die Morgensonne hinausgetreten und die Holztreppe hinabgestiegen war, war ich in Schweiß gebadet und rang nach Luft.
Mein neuer Clan hatte gefrühstückt und sich gewaschen, wie er es nach der Nachtruhe für nötig hielt; jetzt sammelte sich der Arbiyesku für das bevorstehende Tagwerk. Die Mütter, die Säuglinge hatten, wickelten einen Teil ihres Yungshmis von ihrer Taille, kreuzten ihn über ihren Brüsten und setzten ihre Babys hinein. Die Slii-Kerne, die alle lutschten, stießen vernehmlich gegen ihre Backenzähne. Fwipi hatte sich Tansans Baby in einer Schlinge auf den Rücken gebunden und begrüßte mich mit gespitzten Lippen, was ich für ein Lächeln hielt. Die anderen Frauen würdigten mich keines Blickes. Das taten sie, hoffte ich, weil sie sich konzentriert auf ihr Tagwerk vorbereiteten, nicht, weil ich sie mit meinem impulsiven Tadel an Tansan am Vorabend vor den Kopf gestoßen hatte.
Wir gingen zusammen zu dem Lagerhaus mit den Kokons. Ich war von einer Gruppe von Kindern umringt, während Savga mich nach wie vor stützte. Der Drachenmeister war ebenfalls bei uns. Er wirkte so säuerlich wie ein Gharial mit einem entzündeten Zahn. Die Vorderseite seines Wamses klebte an seiner Brustwunde, und er ging langsam und unsicher.
In der Hitze des Morgens strahlte das Lagerhaus einen beißend öligen Gestank aus. Hinter dem Schuppen erstreckte sich meilenweit die sonnengebleichte Steppe, bis sie schließlich irgendwo in der unergründlichen Ferne vom Himmel verschluckt wurde. Termitenhügel und stachelige Büsche erhoben sich wie Tupfer aus dem welligen Grasland.
Zwei wuchtige, mit Löchern versehene Holztüren versperrten das Lagerhaus. Der Arbiyesku teilte sich in zwei Gruppen, trat zu den Türen und zog sie in gemeinsamer Anstrengung auf. Der Boden bebte unter meinen Füßen, als die Türen erzitterten und langsam zur Seite glitten.
Im selben Moment waberte der Geruch des Todes aus dem Lagerhaus.
Es stank bestialisch! Viel schlimmer, als ich erwartet hatte, und dabei hatte es schon übel gerochen, bevor die Türen geöffnet wurden. Der Gestank traf mich wie ein Faustschlag in den Bauch, brannte wie Sand in den Augen. Ich darf wohl sagen, dass ein solches Aroma sich einem so unvergesslich einprägt, dass danach alle Gerüche nur eine Komponente davon zu sein scheinen: erstickend, fleischig, moschusartig und so ranzig süß wie verfaultes Getreide.
Ich wich taumelnd einen Schritt zurück. »Komm näher!«, rief Savga. »Komm und sieh!« Die Kinder stürmten vor, rissen mich mit, schoben mich in meine neue Umgebung und den Stoff meiner neuen Albträume.
Diese Hüllen.
Sie schwitzten eine graue wächserne Substanz aus. Maden wimmelten auf ihnen. Es gab unzählige von ihnen, einige waren schulterhoch, andere reichten mir nur bis zum Bauch. Sie alle lehnten dicht an dicht aneinander bis in die schattige Tiefe des Lagerhauses. Dazu die Geräusche: das knisternde Huschen von Aaskäfern, das Summen von einer Million Mistfliegen, das Zischen von Gasen, die aus den Körpern der sterbenden oder schon toten Drachen entwichen, und das ohrenbetäubende Rumpeln, mit dem die Schiebetüren aufrollten …
»Raus!«, schrie ich, versuchte mich umzudrehen und der Woge der Kinder zu entfliehen. Aber nein, ich konnte ihrem Strom nicht entkommen. Nicht so schwach und schmerzgeplagt, wie ich war.
»Sieh nur!«, quietschte Savga. »Das sind unsere Wagen. Und das dort unsere Mahlwerke, hier unsere Schaufeln! Und siehst du, da an der Wand? Unsere Fleischsensen!«
Wundervoll! Das sollte ich sagen beim Anblick dieser Geräte, die sie Mahlwerke genannt hatte, diesen verwirrenden Apparaturen, die wie Wachposten aufrecht an einer Wand standen, beim Anblick der Klingen übergroßer Sensen, die an den Wänden baumelten wie Gehenkte.
»Komm her und sieh«, befahl sie, und die Woge aus Kindern trug mich zu diesen brutalen Sensen, während die Erwachsenen ebenfalls in das Lagerhaus strömten und zu ihrem Handwerkszeug gingen.
»Bleib hier.« Savga drückte mich an eine Wand, damit ich nicht im Weg herumstand. »Ich muss arbeiten.«
Das traurige, gedämpfte Brüllen eines sterbenden Drachen hallte aus dem hinteren Teil des Lagers. Mich überlief eine Gänsehaut, als das tiefe, düstere Geräusch erneut durch den Raum schallte.
Bilder schossen mir durch den Kopf, Erinnerungen an uralte Bullen, die ihre Schnauzen in die Strahlen der kühlen Morgensonne streckten, in dem
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