Das Gift der Drachen Drachen3
ließ meinen Blick über die Kissen und Gobelins gleiten und sah schließlich in dem verwirrenden Farbdurcheinander den Wai Vaneshor stehen, den Ersten Kanzler. Er trug eine rote Robe, die am Hals und an den Ärmeln mit blauer Seide gesäumt war. Der graubärtige Mann kam mir auf verstörende Weise bekannt vor.
»Das ist der Hatagin Komikon, der noch Geld aus den Wetten in der Arena schuldig geblieben ist«, sagte der Erste Kanzler. »Ich werde mich von jetzt an um ihn und seine erwählte Frau kümmern.«
Der Akolyth warf erst dem Drachenmeister und dann mir einen selbstgefälligen Blick zu. Jetzt bekommt ihr eure Strafe , besagte dieser Blick unmissverständlich. Als er an uns vorbeirauschte, verbarg Savga ihr Gesicht unter meinem Arm. Der Akolyth tippte sich mit den Daumennägeln an seine Ohrläppchen, um das Böse abzuwehren. Als besäßen ein hungriges Kind und seine schmutzige Ersatzmutter die Macht, ihm Schaden zuzufügen.
Damit verließ er den Raum. Der Erste Kanzler wandte sich an die Paras. »Wartet draußen. Ich rufe euch, wenn ich euch benötige.«
Sie gehorchten.
Die Tür schloss sich mit einem scharfen, klirrenden Geräusch.
»Bei der Liebe der Schwingen, Babu, was ist mit dir passiert?«, grollte der Kanzler. Ich starrte ihn an.
Als würde ich auf eine in der Hitze der Wüste flirrende Gestalt blicken, verwandelte sich der Erste Kanzler langsam in jemand Bekanntes: Drachenjünger Gen.
Er stand leicht gebeugt da, wie ein runzliger alter Mann. Sein ungebärdiger, gegabelter Bart war zu einem ordentlichen grauen Spitzbart gestutzt worden. Sein Kopf war kahl geschoren und von Altersflecken übersät, und seine Haut war nicht mehr so braun wir Borke, sondern elfenbeinfarben, so unmöglich fa-pim wie die des Imperators.
»Gen?«, stieß ich keuchend hervor.
»Senk deine Stimme, Blut-Blut! Diese Tür hat Ohren!« Er zog die grauen, ungewohnt gepflegten Brauen zusammen. »Warst du krank? Du stinkst schlimmer als Fäulnis.«
»Eure Haut hat … die falsche Farbe«, erwiderte ich wie vom Donner gerührt.
»Pass auf, was du sagst.« Er deutete auf Savga. »Wer ist diese Rishi Via?«
Ich folgte seiner Hand mit den Augen und schrak zusammen, als ich das kleine Mädchen neben mir sah. Doch der Schreck hielt nur einen Moment an. Ich erinnerte mich wieder daran, wo ich war und was sich ereignet hatte, und im nächsten Moment schäumte ich vor Empörung.
»Was macht Ihr eigentlich?«, schrie ich und trat mehrere Schritte vor. Savga hielt mich zurück, wie Ballast, ein Mühlstein, ein Anker.
»Sprich leise!«, befahl Gen.
Ich blähte meine Nasenflügel und zog Savga mit zu ihm, watete durch die Kissenberge. »Was hat das zu bedeuten? Wieso raubt Ihr Menschen aus ihren Kus und schlagt sie in Ketten?« Ich packte Savgas Arme und zeigte ihm wütend die Handschellen. »Behandelt Ihr so Kinder?«
Gen wirkte plötzlich ebenso elend und niedergeschlagen, wie Fwipi im Frauenhaus ausgesehen hatte. »Ghepp hat mir keine Wahl gelassen, Babu. Gäbe es eine andere Möglichkeit, zu kaufen, was wir benötigen und unsere Schulden zu begleichen …«
»Es gibt eine andere Möglichkeit. Es muss eine geben!«
»Ich habe an viele gedacht, aber Ghepp …«
»Ich bin die Herrin dieser Brutstätte, nicht Ghepp!«
Ein müder Ausdruck zuckte über Gens Gesicht, aber ich ignorierte ihn, gefangen in meinem rasenden Zorn, der mich wie eine blutige Beule umhüllte. Ich fuhr mit der Hand durch die Luft. »In den Nischen dieser Wände da draußen stehen Statuetten, die ein kleines Vermögen wert sind. Wie könnt Ihr es wagen mir zu erklären, Ihr hättet keine Wahl, und wagt es dann, Kinder statt dieser Statuetten zu verkaufen?«
»Diese Statuetten gehören dem Tempel«, erwiderte der Drachenmeister. Er kam steifbeinig herüber und baute sich neben mir auf. Feindseligkeit strahlte von ihm aus. »Wenn wir die verkaufen, werden wir alle Drachenjünger auf diesen Ländereien gegen uns aufbringen. Ihr Aufschrei wird bis nach Liru zu hören sein.«
»Glaub nicht, ich hätte nicht darüber nachgedacht.« Gens Stimme klang alt, sein Blick war flehentlich.
Aber ich wollte ihm kein Gramm Mitgefühl schenken.
»Dann verkauft ein paar von unseren Brutdrachen«, verlangte ich, meine Hände zu Fäusten geballt, das Wort »unsere« mein Schwert.
»In dieser Brutstätte gibt es auch so schon kaum genug Nahrung. Wir können es uns nicht einmal leisten, auch nur einen einzigen eierlegenden Drachen zu verlieren, geschweige denn die Anzahl, die
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